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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dann würde ich mir wünschen nicht König von England zu sein und …«
    Edith unterbrach ihn. »Sag es nicht!«, flüsterte sie.
    Richard begann verzweifelt: »Edith, ich …«
    »Sag es nicht!«, schrie sie.
    »Ich werde es immer tun«, sagte Richard. Dann wandte er sich ab und schritt in die Wüste hinaus, wo das Kamel stehen geblieben war, als gäbe es jetzt nichts Wichtigeres, als das Tier zurückzuholen. Der König wischte sich verstohlen über die Augen. In vieler Hinsicht hatte er Recht behalten, als er gesagt hatte: »Es ist vorüber.« Die Weissagung von Richards Tod war nichts als ein Albtraum gewesen. Aber er hatte sich mit einem anderen, schönen Traum verbunden, einem Traum von Liebe, und auch dieser Traum war nun Vergangenheit.
    Nicht Vergangenheit , korrigierte Edith sich. Nur zu Ende. Vergehen wird er nie.
    Durch den Kampflärm bei der Burg drang der Takt eines schnellen Galopps. In der flimmernden Luft über dem Boden sah Edith ein Pferd mit zwei Reitern herankommen.
    »Papa«, flüsterte sie, dann fiel sie auf den Boden, krümmte sich zusammen und weinte wie ein kleines Kind. Niemand konnte sie beruhigen, weder Johnny, der unbeholfen ihre Schulter streichelte, noch Robert, der ihre Hand tätschelte, noch Lord Wilfrid, der neben ihr hockte und ebenfalls weinte. Vielleicht hätte Richard sie beruhigen können, aber der König saß weit abseits allein auf einem Felsblock neben dem Kamel, das friedlich wiederkäute. Unverwandt starrte er zu der Staubglocke hinüber, unter der die Schlacht um das einstmals stolze Räubernest Kerak tobte. Dorthin war jener Mann verschwunden, der sein Freund und Bruder war, auch wenn er sein Feind sein musste.

EPILOG
    DIE STIMME DES HERZENS

D ie Feier im Lager von sheik Attayak Ali im Wadi Rum dauerte mehrere Tage. Obwohl Edith kaum eines der Gerichte kannte, die serviert wurden – gekochtes Hammelfleisch, Fladenbrot, Bohnenbrei, Erbsenpüree, gefüllte Weinblätter, Mandeln, Pinienkerne, geronnene Schafsmilch –, probierte sie von allem. Johnny musste vormachen, wie es ihm gelungen war, aus dem harten Fell eines Kamels eine Handvoll Haare zu rupfen und so seinen einzigen Halt auf dem Rücken des Tieres zu verlieren. Edith war umlagert von Kindern, die das zerbrochene Schwert sehen wollten.
    Und Robert wurde immer wieder von Neuem genötigt zu erzählen, wie er in letzter Minute Said und seine Männer hatte warnen können. Mit dem Mut der Verzweiflung war er weiter ins Dunkel hinabgeklettert. Zum Glück waren mehrere Brandpfeile in den Schacht gefallen, wo sie in den Holztrümmern stecken blieben und ein Weilchen wie kleine Fackeln loderten, bevor sie erloschen. Er hatte nicht hoffen können, die Falltür zu erreichen, denn sie war unter den Trümmern begraben gewesen. Aber das spärliche Licht der Brandpfeile hatte Robert den Weg zu einer seitlichen Öffnung im Schacht gewiesen. In seiner Verzweiflung und in seiner Ratlosigkeit kroch er hindurch. Nach einem schier endlosen Weg durch die Finsternis landete er in einem größeren Gang, in den durch viele winzige Felsspalten etwas Licht fiel. Nun ging ihm auf, dass er zufällig einen zweiten Weg vom Brunnenschacht in den Fluchtgang entdeckt hatte. Von dieser Passage hatte wohl auch Königin Aliénor seinerzeit nichts erfahren. Umflattert von einer immer größer werdenden Schar Fledermäuse, hatte er den Ausgang gefunden und war seinem Vater und Saids Männern quasi in die Arme gepurzelt. In diesem Augenblick hatte Sir Wilfrid sein Versprechen gegenüber dem Stamm al-Arab als erfüllt betrachten können, und er war zusammen mit seinem Sohn davongeeilt, um seine Tochter zu retten.
    Edith und Richard gingen sich seit ihrer Rettung aus dem Weg. Sie brauchten nicht darüber zu sprechen, um es beide zu wissen: Wären sie einander nahe gekommen, hätte Richard ihr etwas versprochen, was er nicht wirklich halten konnte. Und sie hätte ihm gegeben, was sie ihm nicht geben durfte, nämlich sich selbst.
    Als das Fest schon weit vorangeschritten war, bemerkte Edith, dass ihr Vater fehlte. Sonst war er nur dann von der Seite seiner Kinder gewichen, wenn einer des Stammes al-Arab oder König Richard ihn beiseitegenommen hatte. Es war nicht allzu schwer, die einsame Gestalt aufzuspüren, die am Rande des Feuerscheins verharrte und in die Dunkelheit der Wüste hinausblickte, die doch niemals vollkommen schwarz ist. Die Sterne glitzerten am Nachthimmel ebenso wie die Millionen winziger Kristalle im Wüstensand. Wenn Edith für

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