Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Nass bestimmt nicht verwenden. Deshalb war Humphreys Befehl völlig vernünftig: »Sorgt dafür, dass so wenig brennbares Material wie möglich in Reichweite der Brandpfeile ist!« Das Holz in die vermeintlich nutzlose Zisterne zu werfen, war ebenfalls nur logisch. Die Soldaten schleppten weitere Balken und Trümmerstücke herbei und warfen sie hinunter. Wenn die Belagerung überstanden war, konnte man das meiste davon wieder hervorholen und erneut verwenden.
    »Wir sind verloren«, sagte Attayak Ali. »Und Euer Vater und seine Männer auch. Sie wissen nicht, dass die Trümmer auf der Falltür liegen. Wenn sie sie öffnen, werden sie unter ihnen begraben!«
    »Wir müssen sie warnen!«, stieß Robert hervor.
    »Und wie sollen wir das anstellen?« Der alte sheik klang zum ersten Mal bitter und ratlos.
    Robert hatte Angst, aber er konnte nicht zulassen, dass ihre Hoffnung, aus der Gefangenschaft zu entkommen, plötzlich zunichtewurde. Noch weniger konnte er zulassen, dass sein Vater in Lebensgefahr geriet oder umkam beim Versuch, sie zu retten! »Man müsste die Falltür verriegeln, damit sie sie nicht öffnen können. Dann geschieht ihnen nichts.«
    »Vor allem geschieht unsere Rettung nicht«, sagte Attayak Ali säuerlich.
    »Aber Papa und Eure Leute wären dann in Sicherheit und könnten einen anderen Weg suchen. Wenn sie dagegen unter dem ganzen Holzabfall begraben werden …« Robert schluckte.
    Attayak Ali musterte ihn. »Die Falltür verriegeln, hm … Wagst du es, in die Zisterne hinunterzuklettern?«
    Die Ernüchterung traf Robert wie ein Schock. Er sollte in die Tiefe klettern? Wo er sonst nicht einmal vom Turm der Burg Kyme hinunterzuschauen wagte? Er schüttelte den Kopf, bevor er mit dem Denken nachgekommen war. »Ich bin nicht schwindelfrei!«, gab er kleinlaut zu.
    Attayak Ali starrte ihn überrascht an. »Ich kann nicht klettern, mit meinem Bein!«, sagte er. »Nicht schwindelfrei? Was ist das?«
    »Ich habe Angst vor Höhen!«
    »Hier geht es in die Tiefe.«
    »Haha.«
    Der Alte schwieg. Hätte er gesagt, dass für jeden Mann die Stunde kam, in der er sich seiner größten Angst stellen und sie überwinden musste, hätte Robert den Mut noch mehr verloren. Aber der sheik der Arab vom Wadi Rum war klug und schwieg. Stattdessen spähte er zum Wehrgang hinauf, wo die Burgverteidiger ihre Armbrüste gespannt hatten und die Steinbrocken zum Hinunterwerfen bereitlagen. Die Bogenschützen hatten Pfeilbündel hinter jeder Zinne abgelegt, damit sie sich vor jedem neuen Schuss nur zu bücken brauchten. Das Trommeln, das aus Saladins Heer heraufschallte, war in den letzten Minuten immer schneller und schneller geworden. Sobald es den Rhythmus eines schnellen Laufs erreicht hatte, würde es losgehen. Es konnte nicht mehr lange dauern. Die zweite Reihe der Verteidiger, zu der die erfahrenen Soldaten, Attayak Ali und damit auch Robert gehörten, lungerte scheinbar untätig im Burghof herum. Tatsächlich spähten sie Stellen aus, an denen man sich vor dem Pfeilhagel, der dem Angriff vorausgehen würde, in Sicherheit bringen konnte. Die erfahrenen Soldaten füllten immer die zweite Reihe auf. Auf sie musste ein Befehlshaber sich verlassen können, wenn die erste Reihe wankte und zusammenbrach. Humphrey de Toron hingegen würde auf dem Wehrgang bleiben, um den Überblick zu behalten und seinen Männern zu zeigen, dass er bei ihnen war und kämpfte.
    Vielleicht war es Humphreys Mut, der Robert die Kraft gab, hinunter ins Dunkel zu klettern. Zuvor hatte der Herr von Kerak eher wie ein Zyniker denn als ein Held gewirkt – und doch stand er jetzt dort oben. Ganz sicher wäre er lieber anderswo gewesen und bangte jetzt genau wie Robert um sein Leben. Aber er war der Erbe dieser Burg und sein Platz war hier auf dem Wehrgang in der ersten Reihe zusammen mit den Nutzlosen, mit den Unerfahrenen, mit den Entbehrlichen. Denn ohne ihn würden sie der ersten Angriffswelle niemals standhalten. Er war ihr Lord und ihnen beizustehen, war seine Aufgabe.
    Roberts Aufgabe hingegen war es, in den Schacht hinunterzuklettern und seinem Vater und Attayak Alis Männern das Leben zu retten. Es gab keinen anderen Weg. Er räusperte sich. Seine Stimme kippte über wie die eines kleinen Jungen. »Wie komme ich da hinunter?«
    In dem Moment, als Robert sich über den Rand der Zisterne schwang, begann der Angriff: Eine Wolke aus Pfeilen verdüsterte den Himmel über der Burg. Der Eisenregen schlug Funken aus dem Stein, Schäfte brachen in der

Weitere Kostenlose Bücher