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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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auf sie zu und richtete dann meinen Blick auf die Schwägerin. Raja, die Hübsche, die ihr dunkles, glattes Haar zum Zopf geflochten trug, den sie wie eine Krone um den Kopf geschlungen hatte. Wir hatten uns immer gut verstanden. Jedes Mal, wenn wir die Familie meines Mannes besucht hatten, war ich mit ihr und den Kindern zusammen zum Strand gegangen. Auch wenn wir Erwachsenen nicht gebadet haben, wir Frauen konnten sowieso nicht schwimmen, war es immer ein schöner Ausflug. Die Kinder hatten ihren Spaß und planschten. Raja und ich, wir waren ungefähr im gleichen Alter, saßen auf einer Decke und haben stundenlang geredet. Wie es uns in der Ehe mit den Brüdern geht, die Kinder, unsere Unselbständigkeit. Beide waren wir mit gewalttätigen Männern verheiratet worden, beide wurden wir geschlagen, sie in Tunesien auf dem großen Bauernhof, ich in der kleinen Hamburger Wohnung.
    Ihr Mann arbeitete als Taxifahrer, war ständig unterwegs, wenn er doch zu Hause war, beschimpfte er Frau und Kinder, wie Abdullah es mit uns in Hamburg gemacht hatte. Auch über die unverheiratete Schwester der beiden Brüder sprachen wir. Sie lebte mit ihnen im Haus, führte das Regiment und hatte mehr zu sagen als Raja. Später erfuhr ich, dass meine Kinder von ihr bespuckt und geschlagen worden waren.
    Raja war Sozialarbeiterin, berufstätig, eine gebildete Frau eigentlich. Anderen Menschen konnte sie helfen, sich selbst nicht. Sie war zart und litt unter den Erniedrigungen ihres Mannes, trotzdem blieb sie bei ihm. Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht glücklich war über die Situation. Sie musste wissen, wie es mir ging. Da war ich mir sicher. Und bestimmt hatte sie mit ihrem Mann deswegen gestritten.
    Mit großen Augen sah sie mich jetzt an. Nicht wirklich überrascht, eher verwundert darüber, dass ich mich traute zu kommen. Sie hatte einen langen Umhang um Kopf und Schultern geworfen, wie ihn Frauen tragen, wenn sie aus dem Haus gehen. Den fasste sie nun mit ihrer rechten Hand und zog ihn enger um sich. »Hallo, ich bin’s, Esma«, brachte ich hervor, als ich schon ganz nah vor der Gruppe stand. »Salam«, grüßte sie und streckte mir ihre Hände entgegen, als wolle sie mich in den Arm nehmen. Wollte sie mir das Wiedersehen erleichtern? Trotzdem, ich wich zurück und hatte das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Mit einer tiefen Stimme, als sei ich eben erst aufgewacht, murmelte ich: »Bitte, ich möchte meine Kinder besuchen.« Die Kinder starrten mich mit offenem Mund an. Keines machte einen Mucks. Kein »Mama, Mama«, wie sonst. Nur gespanntes Schweigen. Amin sah mich an, als würde er ein seltenes Tier sehen, das ihm zufällig über den Weg gelaufen ist. Sie waren völlig verschüchtert.
    Und ich traute mich noch immer nicht, die Kinder direkt anzusprechen. Wie angenagelt stand ich und wandte mich noch einmal an die Schwägerin: »Ich bin nur gekommen, um meine Kinder zu sehen. Kann ich ein wenig bleiben?« – »Ja klar, warum denn nicht«, antwortete Raja. Ihre Worte wirkten auf mich wie eine Erlösung. Endlich. Ich hätte weinen können. Ich stürzte mich auf die Kinder, beugte mich zu ihnen, nahm alle drei gleichzeitig in den Arm. Ein wenig unbeholfen, aber glücklich. »Wo wollt ihr hin?«, stammelte ich. »Störe ich euch?«
    »Nein«, hörte ich Raja sagen, »ich verstehe dich. Natürlich kannst du eine Weile bleiben und deine Kinder besuchen.« Jetzt erst wagte ich es, sie richtig anzusehen. Wie verschreckt sie waren. Was hatte man ihnen bloß über mich erzählt? »Salam, meine Süße«, begrüßte ich Amal, die scheu einen Schritt zurück hinter ihren großen Bruder trat. Was ging wohl in ihrem Köpfchen vor? »Wie geht’s euch, meine Großen?«, fragte ich, schüttelte sie ein wenig an den Armen, an denen ich sie gepackt hatte. Ich ging in die Hocke und lachte so herzlich, wie ich nur konnte. Einfach weglachen wollte ich unseren Kummer. Doch die Kinder blieben misstrauisch. Vermutlich hatten mein Mann und seine Familie kein gutes Haar an mir gelassen. Ich musste vorsichtig sein und wich zurück.
    »Komm mit, wir gehen zurück ins Haus«, meinte Raja. Sie war mutig, aber das erfuhr ich erst später. Während wir an der hohen Mauer entlanggingen, versuchte ich Amals Lockenkopf zu kraulen, wie ich es immer gemacht hatte. Sie ging mir aus dem Weg, doch plötzlich drehte sie sich um und fragte vorwurfsvoll: »Wo warst du? Warum bist du weggegangen und nicht wiedergekommen?« – »Ich wollte ja, aber ich

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