Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
Vom Netzwerk:
war aus allen Wolken gefallen. Gerade noch hatte er gedacht, Abdullah und ich hätten uns versöhnt. Er rechnete damit, dass er Amal bald nachschicken konnte. Und dann präsentierte ihm mein Mann triumphierend das Papier mit der gerichtlichen Verfügung des einstweiligen Sorgerechts für die Kinder. »Es hat keinen Wert mehr, Abdelhamid. Deine Tochter macht mir das Leben zur Hölle. So kann ich nicht mit ihr leben und die Kinder auch nicht«, hatte er gesagt, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Die gab es ja auch nicht. Der Vater war schockiert. Hatte er nicht alles getan, um zu helfen? Sogar Mutters Schmuck versetzt, nur damit ich wieder bei meiner Familie sein konnte. Und nun stand der Schwiegersohn vor der Tür und sagte »Alles vorbei«, und dass seine Enkelkinder bei einem Bruder in Tunesien aufwachsen sollen. Ohne Mutter! »Deine Tochter vernachlässigt ihre Kinder. Sie geht arbeiten und lässt die Kinder allein zu Hause. Das ist nicht gut. Bei meinem Bruder werden sie es besser haben.« – »Das kann ich mir nicht vorstellen«, habe er entgegnet. Aber Abdullah wollte sich auf keine Diskussion einlassen, stattdessen pochte er auf den gerichtlichen Beschluss. Den musste der Vater akzeptieren, als Beamter sowieso. »Soll Esma sehen, wie sie alleine zurechtkommt in Deutschland«, setzte Abdullah noch eins drauf. »Jetzt kann sie in Ruhe arbeiten gehen.« Wie scheinheilig, er wusste ganz genau, dass ich meinen Kindern sofort nach Tunesien hinterherreisen würde.
    »Komm mit!«, habe Abdullah dann Amal befohlen. Ohne Vorwarnung und Abschied, nur ihre Schulsachen durfte sie mitnehmen. Kurz und schmerzvoll. Das Mädchen hat überhaupt nicht verstanden, was mit ihm geschah. Als mein Mann sie ins Auto gepackt hatte, habe sie mit großen, entsetzten Augen aus dem Rückfenster geblickt. Die ganze staubige Straße hinunter, nicht gewunken, erzählte der Vater mit Tränen in den Augen.
    Wegen der Scheidung hatte der Vater einen Anwalt eingeschaltet. Den suchte ich gleich am nächsten Tag auf und bat ihn, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit das Sorgerecht mir als Mutter übertragen würde. Es war ein älterer, dicklicher Mann, ein Parteikollege meines Vaters. Kopfschüttelnd murmelte er: »Wird ein langer Kampf werden, das Sorgerecht für dich zu bekommen. Schwierig, schwierig, aber nicht unmöglich. Zunächst einmal kämpfen wir für das Besuchsrecht, das hast du nämlich bisher auch nicht.« – »Wir schaffen das, oder?«, schwankte ich zwischen Hoffnung und Niedergeschlagenheit. »Wie willst du dich um deine Kinder kümmern?« – »Ich weiß noch nicht, wir werden sehen, wenn es so weit ist.« – »Hast du Wohnung und Geld?« – »Ein Haus, das wir gebaut hatten. Aber es läuft auf Abdullahs Namen.« – »In Deutschland kannst du deinen Mann auf Unterhalt verklagen, von hier aus ist das schwierig.« – »Er hat die Kinder bei seinem Bruder untergebracht. Ich weiß nicht wie, aber ich werde allen zeigen, dass ich eine gute Mutter bin.« – »Das glaube ich dir, aber das wird dauern.«
    Zu Hause war es unerträglich. Wie in einem Gefängnis. Der Vater hatte angefangen, die Gartenmauer aufzustocken, als ob es etwas in der Familie zu verbergen gäbe. Teile des Gartens legte er mit Betonplatten aus. Die seien leichter zu pflegen, sagte er. Die Mutter saß im Haus und machte mir Vorwürfe: »Hab ich dir nicht gleich gesagt, dass du mit Amal hierbleiben sollst? Hättest du doch Mann und Söhne in Hamburg gelassen und wärst hier zufrieden gewesen, der Vater hätte euch schon versorgt. Das hast du nun davon, nun ist deine Tochter auch noch weg. Was willst du jetzt machen?« – »Ich will nichts anderes, als alle meine Kinder wiederhaben!« – »Und dann?«

    Ich musste wissen, wie es den dreien ging. So schnell wie möglich, mit oder ohne Besuchserlaubnis. Selbst wenn sie die Hunde auf mich hetzten. Das war mir egal. Ich wollte nachsehen, ob sie wirklich auf dem Bauernhof des Schwagers waren. Und ich wollte ihnen zeigen, dass sie nicht meinetwegen dort waren, sondern weil es der Vater so haben wollte.
    Es war Sonntag, ein paar Tage nachdem ich angekommen war. Alles war ruhig, das Land frisch und farbig. Ich hatte mir Jeans und einen weißen Poncho übergezogen und machte mich schon sehr früh morgens auf zur zentralen Bushaltestelle. Vier Stunden Busfahrt. Kalter Wind blies mir ins Gesicht, wie sonst nur im Januar. Im Spiegel eines Café-Fensters sah ich, wie Nase und Wangen rot angelaufen waren. Wie würde ich meine

Weitere Kostenlose Bücher