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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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Kinder nach Tunesien zu entführen. Oder wollte er wirklich neu mit mir anfangen, und seine Geliebte hat ihn unter Druck gesetzt? Oder hatte er Angst vor mir, vor meinen Wünschen, vor der neuen Schwangerschaft? Warum hat er seinen Kindern, die er angeblich liebt, die Mutter genommen? Nur weil er mich loswerden und zerstören wollte?
    Wir hätten zusammen überlegen können, wie wir alles arrangieren. Ich hätte ihm den Neubeginn gerne geglaubt. Habe ihn sogar noch bestärkt darin. Weil ich keine andere Möglichkeit sah. Ich wollte meine Kinder haben und eine Familie, ich wollte arbeiten gehen und mit verantwortlich sein. Gemeinsam alt werden, auch wenn mein Mann mich belog und betrog und grün und blau prügelte.
    »Was für eine bescheuerte Illusion«, sagte Karimah.
    Ich schlief tagelang, sobald ich aufwachte, hatte ich starke Kopfschmerzen. Ein Gefühl völliger Ohnmacht. Doch eines Abends, es dämmerte, als ich das Fenster öffnete, auf dem Spielplatz war es still, da packte mich das Heimweh nach meinen Kindern, gleichzeitig spürte ich eine Hoffnung. Es gab keinen anderen Weg, als um meine Kinder zu kämpfen. Ich konnte sie nicht dem Onkel überlassen. Dort ging es ihnen nicht gut. Ich musste nach Tunesien zurück, in ihrer Nähe sein, den Kindern zeigen, dass ich für sie da war. Nicht länger warten, dieses Mal wollte ich schneller handeln.
    Ich sog die frische Luft ein. Mein Herz raste, und ich wurde von einer Nervosität ergriffen, wie ich sie zuletzt an dem Tag erlebt hatte, als ich zur deutschen Botschaft in Tunis gefahren war. Ich konnte kaum einschlafen, spürte meine Glieder schwer wie Güterzüge und leicht wie Flügel zugleich. Am nächsten Morgen zog ich mir mein blaues Leinenkleid an, eines, das Abdullah nie gemocht hatte, band mir ein weißes Tuch ins Haar, tuschte meine Wimpern und machte mich auf den Weg zu Karimah. Sie musste mir das Geld für ein Flugticket leihen.
    Es war warm, ein paar Katzen sonnten sich auf der Straße vor dem Haus, es wurde Frühling, und ich war beschwingt. Los, los, dachte ich. Gut, dass ich nicht wusste, wie lang der Weg werden würde. Karimah überlegte nicht lange und gab mir das Geld. Über Jahre hinweg angespart, jetzt war es auf einmal weg. Sie freute sich mit mir. Sie kannte sogar ein tunesisches Reisebüro, wohin sie mich begleitete. Ich muss schrecklich ausgesehen haben. Hatte kaum etwas gegessen in den vergangenen Tagen, war abgemagert, blass, mit dunklen Ringen unter den Augen. Es kam mir vor, als hätte ich seit Jahren nicht mehr gelacht.
    Doch jetzt bebte ich vor Erwartung. »Sei froh, dass die drei in Tunesien sind und nicht in irgendeinem anderen Land«, sagte Karimah. »Schlimm genug. Aber ich werde um das Sorgerecht kämpfen. Ich habe keine Arbeit, kein Geld, kein Konto, keine Versicherung, nicht einmal eine Wohnung. Ich weiß nicht, wie ich für die Kinder sorgen soll. Aber ich muss es versuchen.« – »Nicht einfach, bei der Scheidung wird das Sorgerecht automatisch deinem Mann zugesprochen.« – »Er hat sie doch sowieso schon.« – »Aber sie leben nicht bei ihm, sondern bei seinem Bruder.« – »Das ist es eben, was ich nicht verstehe. Wenn er die Kinder will, warum stellt er sie dann bei seinem Bruder ab?« – »Die Kinder sind Besitz der Familie.« – »Ich liebe sie. Das ist das Einzige, was ich weiß.«
    Es war ein angespannter Empfang in Tunesien. Mein Vater holte mich am Flughafen ab. Er war inzwischen in Rente, abgesehen von wenigen Ausnahmen ging er aber trotzdem jeden Tag zu seiner Arbeit. Grau war er geworden. Ob er sich Vorwürfe machte, dass er sich so in seinem Schwiegersohn getäuscht hatte? Er würde es mir nicht sagen – und ich würde ihn nicht fragen.
    Ich hätte nicht gedacht, meine Heimat so schnell wiederzusehen. Es war warm, an den Straßenrändern blühte es gelb, auf kleinen Verkehrsinseln grasten Schafe, und in der Luft hing der Duft von Orangenblüten. »Kann ich das Auto fahren?«, fragte ich den Vater. Der sah mich ungläubig an, das gehörte sich nicht für eine Tochter, aber er wusste, dass es mir guttat, und ließ mich. Wenigstens hier in Tunesien wollte ich das Steuer in der Hand halten. Vater nickte melancholisch. Es muss ihn schwer in seiner Ehre gekränkt haben, dass der Schwiegersohn, auf den er so große Stücke gehalten hatte, mich und die ganze Familie so kalt abserviert hatte.
    Er fing an zu erzählen: Wie es war, als Abdullah so unerwartet vor der Tür gestanden und nach Amal gefragt hatte. Der Vater

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