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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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langsam.
    Dann griff ich mir mein Kopftuch, knotete es um meinen Kopf, bedankte mich für die Gastfreundschaft und lief nach draußen. Lief die Straße an der Mauer entlang, es war kühl, die Morgenluft schwer zu atmen. Hastig und flach zog ich sie ein. Hinter mir hörte ich die Hunde bellen. Der Besuch hat sich gelohnt, dachte ich. Egal wo die Kinder sind, ich will um sie kämpfen. Das war alles, was ich ihnen sagen wollte. Ich glaube, das haben sie verstanden, ich hoffte es inständig.
    Nach dem Besuch vergrub ich mich zu Hause. Mir fiel die Decke auf den Kopf, ich war deprimiert und verzweifelt. Am liebsten wäre ich gleich wieder aufgebrochen, doch der Vater warnte mich. »Pass auf, sonst kommt Abdullah auf die Idee und versteckt die Kinder irgendwo in Algerien.« Er hatte recht. Sicherlich gab es dort weitläufige Verwandtschaften, zu denen er sie schicken konnte und die auch bereit waren, gegen gutes Geld ihre Versorgung zu übernehmen. Tagelang heulte ich, ich wollte nichts mehr essen und mit keinem sprechen.
    Der Antrag beim Familiengericht auf das Sorgerecht lief. Zu Anfang dachte ich noch, ich könnte das ganze Verfahren beschleunigen, indem ich jeden Tag beim Anwalt aufkreuzte, aber auch er konnte nichts tun. Noch bevor irgendein Richter den Antrag gelesen hatte, machte das Gericht Sommerpause. Das bedeutete warten, lange warten.
    Wenn ich nur etwas tun könnte! Alle erdenklichen Möglichkeiten überlegte ich. Der ältere Bruder meines Mannes, Mahmoud, der Mann auf dem Sozialamt, er musste mir helfen. Er hat uns damals schließlich zusammengebracht und trug so etwas wie Mitverantwortung. Er hatte meinem Vater versprochen, dass Abdullah mir ein guter Ehemann sein würde. Darunter stellte ich mir etwas anderes vor. Ich wollte, dass Mahmoud seinen Bruder überredete, mir die Kinder zu lassen. Ich nahm ein Taxi. Es war ein regnerischer, aber warmer Tag. Seit meinen seltsamen Flitterwochen war ich nicht mehr bei Mahmouds Familie gewesen. Die Terrasse, über die ich zur Haustür ging, stand unter Wasser. Ich hatte nur Badelatschen an, meine Füße waren nass. Aber die Erde dampfte, als würde sie neu erschaffen.
    »Was willst du?«, fragte mich die Schwägerin. »Mit Mahmoud sprechen.« Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, ihr Gesicht war aufgedunsen, sie schien mir noch frustrierter als damals. Aber sie war freundlich und bat mich in die Küche, das dunkle Loch. Ich setzte mich auf einen dieser stapelbaren, weißen Campingstühle, während sie ihren kleinen Sohn schickte, den Vater zu holen. Der Mann hatte seinen Job verloren und hing nun fast den ganzen Tag im Café herum. Schon nach ein paar Minuten kam das Kind mit Mahmoud im Schlepptau zurück.
    »Was willst du noch hier, du …?«, fragte er schroff, während seine Frau Wasser für Tee aufsetzte. Offensichtlich hatte Abdullah seine ganze Familie gegen mich aufgehetzt. »Erinnerst du dich«, schnitt ich ihm das Wort ab, »dass du mich mit deinem Bruder zusammengebracht hast? Du bist verantwortlich für uns. Du hast meinem Vater versprochen, dass du deine Hand für Abdullah ins Feuer legen würdest und dass er ein guter Mann für seine Tochter sei, weißt du das noch? Aber dein Bruder hat meine Kinder entführt. Nennst du das einen guten Vater und einen guten Ehemann?« – »Abdullah sagt, es sei die beste Lösung.« – »Dass die Kinder getrennt von Mutter und Vater aufwachsen? Findest du das in Ordnung?« – »Wenn du nicht in der Lage bist, dich um sie zu kümmern: Ja.« – »Wer sagt das?« – »Abdullah.« – »Dass ich nicht lache. Wer reißt die Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung und stellt sie bei seinem Bruder ab? Wer kümmert sich hier nicht um sie? Er oder ich?« – »Er muss arbeiten, um sie zu ernähren.« – »Nein, er lebt, wie er will, und kann nach Herzenslust mit seiner Freundin rummachen. Warum kann ich nicht leben, wie ich will?« – »Das wäre nicht gut für die Kinder.« – »Doch, wenn sie schon keinen Vater haben, der sich um sie kümmert, dann brauchen sie wenigstens eine Mutter. Sie sind hier total fremd, sie gehören zu mir nach Hamburg!«
    Mahmoud hatte zugehört, aber er wollte sich auf kein Gespräch einlassen. Für ihn hatte mich Abdullah verstoßen, und fertig. Dass ich jetzt zu ihm kam und um die Kinder bettelte, erniedrigte mich in seinen Augen. Das gehört sich nicht. Eine verlassene Frau schweigt und fügt sich. Und sollte froh sein, wenn sie überhaupt irgendwo unterkommt. Ich war aufgesprungen, nervös

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