Loewenmutter
vergessen. Bin ich diesem fremden Mann wirklich versprochen worden? Abdullah, diesem schlaksigen Typen, der ein rotes Auto fährt und in Deutschland arbeitet? Irgendwie hatte ich gehofft, er würde nicht zurückkommen, aber er war wiedergekommen. Um zu heiraten und um mich zu sich zu holen.
Das Jahr nach dem Ehevertrag war vergangen wie alle anderen Jahre vorher auch. Ich hatte meiner Mutter im Haus und mit den kleinen Geschwistern geholfen. Hin und wieder hatte ich auch meine ältere Schwester besucht, die schwanger geworden war und erst kürzlich entbunden hatte. Von meinem Bräutigam in Deutschland habe ich nicht viel gehört. Wenn er schrieb, dann meinem Vater, der richtete einen Gruß an mich aus.
Doch im August war Abdullah tatsächlich gekommen. Ich habe ihn kaum wiedererkannt, mit seinem schmalen Oberlippenbärtchen und den spitzen Schuhen.
Wie ein Ganove sah er aus. Er gefiel mir, aber er machte mir auch Angst. Mein Herz krampfte sich zusammen, wenn ich nur daran dachte, diesem wildfremden Menschen ausgeliefert zu sein. Allein und ohne Rückhalt in der Familie. Mir war bange. Mit ihm in einem fremden Land, in einer fremden Kultur mit fremden Ritualen, Gewohnheiten und Alltäglichkeiten? Alle dachten, ich hätte das große Los gezogen.
Es gab keinen, der meine Ängste verstand. Keinen, mit dem ich hätte sprechen können!
Abdullah hat nicht lange gefackelt. Er wollte die Hochzeit und keine langen Vorreden. »Lass uns etwas zusammen machen, wie willst du es haben?« – Das gab es nicht. Mit mir wurde nicht gesprochen. Mein zukünftiger Mann regelte alles mit meinem Vater, und mir sollte es recht sein. Meine Schwester und ich durften immerhin mit zum Einkaufen. Kleider, Schmuck, Speisen und Getränke für die Hochzeit. Wir haben ausgesucht, er hat bezahlt.
Da wird nicht diskutiert, da wird gehandelt. Was brauchst du? – Was brauche ich? – Hier haben wir’s! Ich war die Frau, die zusieht, wie der Mann zur Tat schreitet.
Und wenn ich etwas haben will, besorgt es Abdullah. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr aus Deutschland sind wir Mann und Frau. Verheiratet nach arabisch-tunesischer Tradition. Tagelang wird die Braut für ihren Bräutigam geschmückt und schön hergerichtet. Frauen aus der Nachbarschaft begleiten mich ins Hamam, anschließend werde ich drei Tage und drei Nächte mit Henna bemalt. Am letzten Tag gehe ich zur Friseurin, Haare schneiden, glätten, hochstecken, bekränzen, Gesicht und Augen schminken. Knallig wie eine Puppe. Dann erst kommt der Bräutigam, um die Braut zu holen. Abzuholen zur Hochzeitsnacht.
Abdullah schien an diesen Ritualen nicht besonders interessiert. Er feierte eine Woche lang mit seinen Freunden und der Familie. Als er mich abholen sollte, wollte er gar nicht selbst kommen. War ihm zu lästig. Er schickte eine Frau, die mein Vater jedoch abfing. Er ging persönlich zu Abdullah und zitierte ihn weg von seinen Freunden: »Weißt du nicht, dass der Bräutigam seine Braut selbst abholt?« Das habe er vergessen, log er. Er sei mit den Vorbereitungen für die Reise nach Deutschland beschäftigt.
Nach der Hochzeit wollte er so schnell wie möglich nach Hamburg zurück. Musste er wegen seiner Arbeit. Obwohl er sich angeblich das ganze vergangene Jahr um meine Ausreisepapiere gekümmert hatte, waren sie bei der Botschaft in Tunis nicht rechtzeitig fertig geworden. Drei Wochen warteten wir nun schon, Abdullah hatte sogar seinen Urlaub verlängern müssen. Jeden Tag war er in der Stadt unterwegs, telefonierte, organisierte. Aber die Papiere ließen auf sich warten.
Ich schnitt den grünen Paprika für das Couscous, löste die weißen Fasern und die Kerne heraus. Ein Stück der weißen Haut steckte ich mir in den Mund und kaute darauf herum. Es schmeckte nach nichts, wie Schaumgummi. Ich wartete auch, obwohl ich nicht genau wusste auf was. Auf die Zeit mit Abdullah in Deutschland? Wie würde es werden? Ich war unruhig, getrieben wie ein Gecko, der über die weiße Hauswand wuselt, ohne Ziel und Richtung. Gleichzeitig langweilte ich mich, wenn ich nicht gerade mit Hausarbeiten beschäftigt war, die mir meine Schwägerin auftrug.
Ich schaute an mir herunter, mein kariertes Kleid war voller Spritzer vom Tomatenmark, das ich in die Soße gerührt hatte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drehte die Flamme am Gasherd auf volle Stärke. Der Herd stand auf einem Betonsockel, zu hoch für mich, mit einem hohen Topf sowieso. Ich warf eine Handvoll scharfer Pepperoni
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