Loewenmutter
hinein.
Ich wollte nicht weg, aber hierbleiben wollte ich auch nicht. Nicht mit meinem Mann und nicht in dieser Familie. Für ein paar Tage würden wir hier unterkommen, hatte es geheißen, jetzt dauerte es schon Wochen. Eigentlich sollten es Flitterwochen sein, die stellt man sich schön vor, oder? Doch seit meiner Hochzeit hatte ich nicht eine schöne Stunde erlebt.
Wenn mich mein Mann nicht wie Luft behandelte, schlug er mich. Auch eine Alternative. Die kannte ich ja schon von meinen eigenen Eltern. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Gleich nach der Hochzeit fing Abdullah damit an. Ich war todunglücklich. Wäre ich bloß weggelaufen. Aber wohin? Zu meinen Eltern konnte ich nicht mehr. Mein Vater hätte mich umgehend zurückgebracht.
Wenn ich mich wenigstens jemandem hätte anvertrauen können! Erzählen, wie es mir geht, anstatt alles in mich hineinzufressen. Aber hier gab es keinen, der mir zugehört hätte, nicht einmal eine stumme Mutter am Herd. Ich war allein. Abdullahs Schwägerin schikanierte mich, ihre Kinder waren mir fremd. Im Grunde war ich ganz froh, von hier wegzukommen. Raus aus diesem dunklen Holzcontainer, kaum mehr als ein Dach über dem Kopf. Die Familie konnte sich nichts anderes leisten, weil mein Schwager das Geld, das er auf dem Sozialamt verdiente, regelmäßig versoff. Ich mochte sie alle nicht.
Ich horchte auf die Stimmen auf der Terrasse. Meine Schwägerin redete auf meinen Mann ein, dass er erst nach dem Mittagessen aufbrechen solle. »Hol deinen Bruder von der Arbeit ab, wir essen zusammen, dann könnt ihr losziehen.« Abdullah schien einverstanden, denn ein paar Minuten später hörte ich, wie er sein Auto startete und wegfuhr. Er war nicht in die Küche gekommen, um mir unsere Reise anzukündigen. Er hielt es nicht für notwendig, direkt mit mir zu sprechen. Aber das war ich nun ja schon gewöhnt. Wahrscheinlich wusste er, dass ich ihn gehört hatte, und überließ es meiner Schwägerin, mir zu erzählen, was zu tun sei.
Die Soße brodelte und zischte und lief über den Topf. So unerwartet, dass ich meine Hände, mit denen ich mich auf dem Betonsockel abgestützt hatte, nicht mehr zurückziehen konnte. Die kochende Brühe verbrühte mir die Finger, ich schrie, schüttelte meine Hände wie eine Verrückte und tauchte sie in das kalte Wasser, das in einer Plastikwanne im Spültrog stand. Auch das noch, mein Gott, wie weh das tat.
Doch da stand meine Schwägerin schon in der Tür: »Du Arme, hast du dir die Finger verbrannt?«, fragte sie und ohne eine Antwort abzuwarten: »Wie kann man nur so ungeschickt sein?« – »Lass mich in Ruhe.« – »Aus dir wird nie was. Mein Schwager hätte eine intelligentere Frau verdient.«
Ich sah sie nicht an, Wut kochte hoch in mir, und während ich zurück zum hohen Herd ging, erwiderte ich böse: »Bist du eifersüchtig?« – »Auf dich? Das würde mir im Traum nicht einfallen.« – »Hättest ihn wohl selbst gern gehabt. Ich schenk ihn dir.« Das war frech, aber irgendwie musste ich mich wehren. Schöne Flitterwochen waren das: In denen man es nur noch meinen Fingern ansah, dass ich erst kürzlich geheiratet hatte. Sie waren schwarz mit Henna bemalt. Die Nägel schön lang und rot, aber jetzt hatte ich hässliche weiße Blasen auf den Knöcheln. Sie brannten wie Feuer. Während mein Mann lustig in der Stadt herumkurvte, verbrannte ich mir die Finger und musste mir von meiner Schwägerin verächtliche Kommentare anhören.
Ich war müde, fühlte mich steinalt. In Rinnsalen lief mir der Schweiß unter dem Kleid am nackten Körper hinunter. Wenn ich jetzt wenigstens meine Tasche packen und ins Hamam gehen, baden gehen könnte. Doch keiner würde es mir erlauben. Nur eine halbe Stunde kaltes Wasser, ich würde viel darum geben. Stattdessen stellte sich meine Schwägerin direkt hinter mich: »Dein Prinz aus Deutschland kommt dich abholen«, sagte sie kalt. – »Er ist kein Prinz.« – »Klar, stell dich nicht so an.« – »Wenn du wüsstest … « – »Sei zufrieden, Esma, er hat Geld.« – »Aber er behandelt mich wie Dreck.« – »Lieber Dreck als gar nichts«, sagte sie und fragte dann, warum ich das Geschirr vom Frühstück noch nicht abgewaschen habe.
»Ich schwitze, bin schmutzig, stinke nach Knoblauch. Ich will baden und kein Geschirr spülen.« Aber Bad oder Dusche gibt es nicht. Ob ich mir wenigstens auf der Terrasse einen Eimer Wasser über den Kopf leeren könnte? Ging auch nicht. Dort spielten die Kinder. Alles in mir
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