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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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Kind gewesen.
    Manchmal besuchte ich die Kleinen auch, wenn sie im Garten spielten. Zum ersten Mal wechselte ich ein paar Worte mit einer jungen Erzieherin, Rosie, die selbst zwei Kinder hatte und in der gleichen Straße wohnte wie wir. Es war stürmisch, der Wind jagte graue Wolken vor sich her, es tröpfelte, aber die Kinder johlten und tobten. Sie fragte mich, ob sie meine Buben nachmittags einmal mit zu sich nach Hause nehmen könnte, da sich unsere Kinder angefreundet hatten. Ich verstand sie sogar, lächelte und zeigte auf meinen Ehering: Dass ich erst meinen Mann fragen müsse.
    Mit Abdullah gab es nun fast täglich Streit. Er war unzufrieden und aggressiv. Nachts, wenn er von der Spätschicht kam, bedrängte er mich, obwohl ich schon schlief. Nachmittags, wenn er von der Frühschicht kam, war es noch schlimmer, weil die Kinder alles mitbekamen. Er stellte sich ans Küchenfenster, schob den gelben Vorhang halb zur Seite und sah hinaus. Ohne mich anzusehen, fing er an: »Warum wirst du nicht mehr schwanger?« – »Weiß nicht.« – »Du weißt aber ganz genau, dass ich dich wegen der Kinder geheiratet habe.« – »Nein, das weiß ich nicht«, inzwischen traute ich mich immer öfter, ihm zu widersprechen. – »Wie stehe ich denn da, wenn wir im Urlaub nach Tunesien kommen, und ich habe immer noch keine drei Kinder?« – »Dafür hast du ein Haus«, konterte ich.
    Das Haus in Tunesien war inzwischen fertig. Ich mochte es nicht. Mit wenig Platz zum Wohnen, dafür mit einer schön geschwungenen Mauer darum herum und zwei Garagen. Für Abdullah, den Autofan. Wenn er schon nicht mit vielen Kindern angeben konnte, dann wenigstens mit seinen deutschen Autos. Angeben und vor seinen Landsleuten protzen, mit der Frau, mit den Kindern, mit den Autos, mit dem Geld. »Seht her, ich habe es zu etwas gebracht«, signalisierte er damit. »Im Gegensatz zu euch hänge ich nicht in Cafés herum, langweile mich nicht und rauche keine Wasserpfeife.« Wenn seine Leute dann etwas vom reichen Onkel aus Deutschland abhaben wollten, spielte er gern den großzügigen Gönner.
    »Von dem Haus profitierst du genauso wie ich«, schnaubte er und zeigte mit seiner Zigarette auf mich. Er zitterte, als er sie sich anzündete. Dann folgte ein Vorwurf dem anderen: »Warum hat Amin Schnupfen?« – »Er muss sich erkältet haben.« – »Weil du ihm keine Jacke angezogen hast. Stimmt’s?« – »Er wollte keine anziehen.« Meist nahm ich dann die Kinder, die mit großen Augen auf dem Boden saßen und mit Legos spielten, an der Hand. »Los, kommt weg«, und bugsierte sie in unser gemeinsames Schlafzimmer. Sie wehrten sich, aber ich wollte nicht, dass sie dabei waren und sich schuldig fühlten wegen unserer Streitereien.

    Amin war vier, Jasin drei, und ich noch immer nicht wieder schwanger. Es war im Frühjahr 1985, die Kinder waren auf dem Spielplatz, als Abdullah eines Tages im Laufe einer Auseinandersetzung das Schlafzimmer komplett auf den Kopf stellte. Zuerst war er zynisch, aber beherrscht: »Nicht einmal aufräumen kannst du«, rief er, »soll ich dir zeigen, wie’s geht?« Dann wurde er immer wilder wie ein Sturm, der sich zum Orkan steigert. Er riss die Schranktüren auf, zog Kleider heraus, warf sie zu Boden. Er drehte das Bett um, warf die Matratzen übereinander. Ich stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und schaute tatenlos zu: Soll er doch toben. Mir egal, ich weiß nicht einmal den Grund, warum er sich so aufregt. Irgendwann würde er auch wieder aufhören.
    »Verdammtes Miststück«, schrie er plötzlich mitten in meine Gedanken hinein. »Du hast mich betrogen!« Triumphierend reckte er seine Faust mit einem Pillenkärtchen in die Höhe: Die Antibabypille. Ich hatte sie zwischen den Handtüchern versteckt. Ohne dass er wusste, wonach er suchte, hatte er sie gefunden. »Undankbares Weib«, schrie er wütend. Seine Augen waren schmale Schlitze, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Aber ich hatte keine Angst vor ihm: Verdammt nochmal, woher nimmt er das Recht, mir die Pille zu verbieten? Es ist mein Körper, über den ich bestimmen will. Ich spürte seine Schreie an mir abprallen, vielleicht grinste ich sogar ein wenig. »Wie kannst du mir das antun? Ich werde dich verstoßen«, tobte er, rot angelaufen vor Zorn. Er machte ein paar Schritte auf mich zu. »Dir werde ich es zeigen!« Dann konnte ich mich nicht einmal mehr wegducken, so schnell hatte ich seine Hand im Gesicht.
    Eine einzige Ohrfeige warf mich zu Boden. Ich

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