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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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verdienen, arbeiten, unbedingt, wenigstens ein paar Stunden. Mit Amals Geburt waren meine Lebensgeister zurückgekehrt. Das Baby war meine Hoffnung, gleichzeitig provozierte es meinen Widerspruch gegenüber Abdullah. Wenn er meinte, er könne mich mit dem Baby ans Haus fesseln, hatte er sich getäuscht. Ich war lange genug depressiv gewesen, jetzt musste sich etwas ändern. Plötzlich hatte ich eigene Wünsche. Auch wenn Amal noch klein war, erst ein Dreivierteljahr alt. Karimah bestärkte mich darin, arbeiten zu gehen, als ich mit ihr darüber redete. Auch wenn sie selbst ganz zufrieden war mit ihren Kindern. Ich wollte selbständig werden und arbeiten und mich auch von Abdullah nicht mehr von meinem Wunsch abbringen lassen.
    Immer wieder fing ich damit an und versuchte ihn zu überreden: »Andere Frauen arbeiten auch. Sie haben mir gesagt, dass es einfach sei.« Von den Frauen seiner Kollegen hatte ich gehört, dass es nicht schwer sei, einen Putzjob zu bekommen. Putzen konnte ich. »Jede Frau kann ein paar Stunden pro Tag arbeiten und nebenher den Haushalt machen. Jasin und Amin sind schon groß. Wenn sie zurück aus dem Kindergarten und der Schule sind, können sie auf Amal aufpassen, und ich kann zwei Stunden gehen.« – »Sie sind noch zu klein. Wenn den Kindern etwas passiert, bist du schuld.« – »Es wird nichts passieren. Du bist doch nachmittags auch da, wenn du Frühdienst hast.« – »Nein, du bist die Mutter. Du trägst die Verantwortung.« – »Aber wenn ich arbeiten gehe, kann ich dir helfen, Geld zu verdienen.« – »Brauchen wir nicht!« – »Doch, für eine größere Wohnung und schnellere Autos.« – »Autos sind nicht schlecht.«
    Ich wusste, dass ich Abdullah mit diesem Thema packen konnte. Wenn er von Autos sprach, wurden seine Augen ganz groß. Und als ich ihm wieder einmal mit der Arbeit und den Autos in den Ohren lag, hat er ja gesagt. »Aber auf deine eigene Verantwortung.« Da jubelte ich und bat meine Freundin, bei einer Reinigungsfirma anzurufen. Mein Mann besorgte die Arbeitserlaubnis, die er auch unterschrieb. Damit das Geld, das ich verdiente, auch wirklich auf sein Konto geht. Aber das war mir nicht wichtig, ich hatte sowieso kein Konto. Nicht das Geld wollte ich, sondern aus meinen vier Wänden herauskommen.
    Putzen. Ich kam unter Menschen, auch wenn es nur zwei Stunden täglich waren. Ich machte mich schön, nahm meine Tasche und stieg mittags in das Auto, einen Firmenwagen, der die Putzfrauen an verschiedenen Stellen des Viertels einsammelte. Meist Frauen mit Kopftüchern, aber selbstbewusste Frauen. Sie haben türkisch gesprochen, und ich war eine von ihnen. War dabei, saß dazwischen. Wir redeten nicht viel, aber jeden Tag fuhren wir miteinander über die Autobahn zum gleichen Bürogebäude mit Ingenieur- und Architektenbüros. Dort wurden wir eingeteilt und eingewiesen. Eimer, Putzmittel, Lappen, Schrubber, Staubsauger: Jede von uns schnappte sich ihr Werkzeug, und nach Feierabend sahen wir uns wieder.
    Es gab Leute, die sich gestört fühlten – »Ach du meine Güte, die schon wieder« –, wenn ich putzen kam. Ich habe ihnen das angesehen, auch wenn sie mich nicht ansahen. Nicht einmal »Guten Tag« gesagt haben. Manche haben mich verachtet. Da freue ich mich, dass ich endlich arbeiten darf, und die tun so, als ob ich nicht existiere. Strecken mir, ohne mich eines Blickes zu würdigen, den vollen Aschenbecher rüber. Nach dem Motto: »Mach deinen Job und verschwinde!« Da fühlt man sich natürlich minderwertig und beschissen. Aber wenn mich doch jemand zurückgrüßt und mir sagt, dass er froh sei, dass es eine Putzfrau gibt, die den Papierkorb leert, dann bin ich glücklich. Selig sogar. Denke: Wenigstens einer, der zufrieden ist mit mir und mit dem, was ich mache. Wenigstens einer, der mich sieht. Das tut gut. Und es ist nicht nur einer, sondern viele.
    Ich war oft unsicher und wusste nie genau, ob ich alles richtig mache. Staubsaugen zum Beispiel: Gehe ich noch in die Ecke unter dem Schreibtisch oder nicht? Ich hatte keine Erfahrung, und jeder will es anders haben. Saugen und dabei die Leute nicht stören ist nicht einfach. Der eine fährt mit seinem Bürostuhl zurück und sagt: »Hier, bitte schön« und »Danke schön«. Der andere sagt: »Nee, bloß nicht saugen. Lass mich in Ruhe arbeiten.« Obwohl du den Leuten Gutes tust, bist du ihnen lästig, ein komisches Gefühl.
    Wenn es zu Hause besonders schwierig war oder mein Mann mich geschlagen hatte, fürchtete

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