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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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mit fahrigen Bewegungen nach seinen Zigaretten. Offensichtlich hatte er noch nicht einmal bemerkt, dass ich aus dem Schlafzimmer verschwunden war.
    Ich sagte nichts. »Ist das Ihre Frau?«, fragte einer der beiden Beamten. »Ja.« – »Sie ist vor einer halben Stunde auf der Polizeiwache aufgetaucht. Wenn wir sie richtig verstehen, sagt sie, dass sie von Ihnen geschlagen worden sei.« – »Was? Von wem? Wie kommt sie darauf?« – »Das müssen Sie wissen! Haben Sie sie geschlagen?« – »Nein, natürlich nicht.« Ich merkte, wie Abdullah um Fassung rang: »Oder habe ich dich etwa geschlagen?«, fragte er nun zu mir gewandt, aber auf Deutsch.
    Ich sehe in seine Augen, sie sind dunkel, fast schwarz. Nein, unmöglich, ich kämpfe, ich will es ihm ins Gesicht schreien: »Ja, du hast mich im Flur gegen die Wand geworfen und geschlagen.« Aber ich kann nicht. Ich bringe es nicht fertig, nicht vor den Polizisten. Vor lauter Angst. Also zucke ich nur mit den Achseln.
    »Wollen Sie eine Anzeige machen?«, fragt einer der Polizisten. Das habe ich natürlich nicht verstanden, fragend wende ich meinen Blick zu Abdullah. »Ob du eine Anzeige gegen mich machen willst, fragen die Polizisten«, übersetzt er mir auf Tunesisch. Er fixiert mich, seine Stimme hat jetzt einen spöttischen Unterton. Dann holt er eine angebrochene Packung Zigaretten aus seiner Hemdtasche, klopft sie auf seinen Handrücken und bietet beiden Polizisten zu rauchen an. Sie sagen nicht nein und lassen sich auch gerne Feuer geben.
    Hier hatte ich nichts mehr zu sagen. Stumm blickte ich auf den Boden, ging an den Männern vorbei, durch die Küche ins Schlafzimmer. Ich weiß nicht, was mein Mann den Polizisten noch erzählte, aber nach ein paar Minuten machte er die Tür hinter ihnen zu. Ich hörte, wie er sich ein Kissen im Wohnzimmer aufschüttelte, und wusste, dass er sich dort schlafen legen würde. Ich setzte mich auf die Matratze der Kinder und wiegte mich mit verschränkten Armen: Wieder nichts erreicht. Ich konnte mich nicht gegen meinen Mann zur Wehr setzen, hatte es nie gekonnt. Aber ich spürte, dass ich mir irgendwie Luft verschaffen musste.
    An einem der folgenden Tage war ich wieder zu früh dran, um Jasin vom Kindergarten abzuholen. Die Kinder waren draußen im Garten und spielten. Ich stellte mich neben die Erzieherin und beobachtete die Kinder. »Na, geht’s gut?«, fragte Rosie eher beiläufig. Unsere Kinder waren inzwischen ein paar Mal bei ihr gewesen. Da drehte ich mich zu ihr, sah in ihr Gesicht. Und wie schon bei der Polizei brach es wieder aus mir heraus: »Nicht gut – mein Mann – mich schlagen!« Ich schob meinen linken Ärmel zurück und zeigte ihr die blauen Flecken auf meinem Oberarm. Sie wich zurück, so entsetzt war sie. »Nein«, sagte sie, »das darf nicht sein. Du darfst dir das auf keinen Fall gefallen lassen. Geh zur Polizei.« – »Polizei tut nichts«, antwortete ich ihr. »Dann musst du weg von deinem Mann«, sagte sie resolut, »mitsamt den Kindern. Ihr dürft nicht länger bleiben.« – »Wohin.« – »Es gibt ein Haus für Frauen, die geschlagen werden. Ich bringe euch hin. Dein Mann wird euch dort nicht finden.«
    Noch am gleichen Tag fuhr sie mich und die Kinder mit ihrem alten VW-Käfer ins Frauenhaus. Doch kaum dort angekommen, spürte ich, dass ich das nicht durchstehen würde. Ich hatte Panik, war allein. Was würde nur alles auf mich zukommen hier? Auch die Angst vor meinem Vater kam wieder hoch, der mich immer bestraft hatte, wenn ich weggelaufen war. Was würde er dazu sagen? Er hatte mich Abdullah gegeben, ich gehörte meinem Mann. Wer war ich ohne ihn? Nichts. Wie sollte ich ohne ihn zurechtkommen? Und die Kinder? Wie sollten wir ohne Geld und ohne die Sprache zu beherrschen durchkommen? Es ging mir wie vielen Frauen, ich hatte nicht einen Funken Selbstbewusstsein und fürchtete mich. Noch am gleichen Abend ließ ich mich von Abdullah wieder abholen. Er machte mir eine Szene, schlug aber nicht zu.

    In diesem Sommer machte ich in Tunesien den Führerschein. Erst als wir im Herbst wieder zurück in Deutschland waren, habe ich es Abdullah gesagt. Zunächst war er sprachlos. »Hätte ich dir nicht zugetraut«, sagte er. Dann: »Wann und wie hast du ihn gemacht?« – »Der Vater hat ihn mir bezahlt. Du warst ja nicht da.« Ich war lange mit den Kindern zu Hause, über zwei Monate. Abdullah hatte es so arrangiert, dass ein Landsmann uns schon im Juli mitnehmen konnte. Er selbst wollte später nachkommen,

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