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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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nicht wie sonst: »Wir fahren«, sondern »Ich habe Tickets besorgt«. Nicht »für uns«, sondern »für euch«.
    Was soll das heißen? Dass wir nicht alle zusammen in Urlaub gehen, sondern nur die Kinder und ich? Ohne ihn. Abdullah hatte immer den Urlaub organisiert, so wie es ihm passte. Aber dieses Mal war es anders. Ich stand am Spülbecken, wusch Wäsche. Spülte seine schmutzigen Arbeitshosen mit klarem Wasser, nachdem ich sie in der Lauge auf dem Herd gekocht hatte. Ungläubig sah ich ihn an. Alleine mit den Kindern, das hatte ich noch nie gemacht. »Und du? Kommst du nicht mit?« – »Doch, ein paar Tage später, ich bringe Möbel fürs Haus.« Unser Haus, in dem ich so selten war, weil ich wenigstens in den Ferien meine Ruhe vor ihm haben wollte.
    Meistens waren wir mit dem Auto gefahren. Über die Autobahn bis Genua, was langweilig für die Kinder war. Aber auf dem Schiff hatten sie ihren Spaß. Sie stöberten in allen Ecken herum und rannten auf Deck auf und ab. Ich lag in einem Liegestuhl, wenn ich ihre Stimmen nicht mehr hörte, stand ich auf und suchte sie. Doch sobald ich den einen gefunden hatte, war der andere wieder weg. Ich fuhr gern mit dem Schiff und genoss diese schaukelnde Annäherung von Europa und Afrika. Die Fahrt von meinem neuen in mein altes Leben. Obwohl ich in Wirklichkeit gar kein neues Leben führte, sondern nur das alte Leben an einem anderen Ort fortsetzte. In Tunesien hatte der Vater über mich bestimmt, in Hamburg mein Mann. Dort war die Mauer um unser Haus die Grenze gewesen, in Hamburg waren es Wohnungstür, die deutsche Sprache und die Menschen, zu denen ich keinen Zugang hatte. Nicht mein Leben hatte sich verändert, nur der Ort.
    »Richte schon mal die Kleider für die Kinder her und pack die Koffer«, fuhr mein Mann fort, während er sich an den Tisch setzte und die Beine lässig ausstreckte. »Brauchen wir noch kurze Hosen oder T-Shirts? Überleg dir, was fehlt, dann gehen wir einkaufen.« Er hatte mich noch nie selbständig irgendwohin gehen lassen. Jetzt plötzlich sollte ich allein mit den Kindern fliegen. Warum? Er weiß doch, dass ich mich auf einem Flughafen nicht zurechtfinde, weil ich die Hinweise nicht verstehe und keine Schilder lesen kann.
    Ich wrang die Hosen aus und hängte sie über den Wäscheständer im Wohnzimmer. Fürs Kinderkriegen und Wäschewaschen bin ich gut, für alles andere ist mein Mann zuständig. Ich brauche für nichts zu sorgen und nichts zu entscheiden. Sogar das Denken nimmt Abdullah mir ab. Aber ich habe mich arrangiert mit meinem Leben, das mir nicht gehört, und bin auf dem besten Weg, wie meine Mutter zu werden. Ich mache, was er mir sagt. Verantwortungslos und willenlos.
    Und jetzt soll ich selbständig fliegen? »Warum solltest du nicht einmal selbständig in den Urlaub fliegen?«, meinte Abdullah, als ich aus dem Wohnzimmer zurückkam. Konnte er Gedanken lesen? »Fliegen ist weniger anstrengend für die Kinder als Autofahren.« – »Aber das habe ich noch nie gemacht. Wie soll ich das können? Was tun, wenn ich ein Kind beim Umsteigen auf dem Flughafen verliere? Oder wenn eines fällt und sich wehtut?«, fragte ich und spielte unruhig mit meinen Fingern in den offenen Haaren. Im Notfall würde ich meine Kinder nicht schützen können. Ein Albtraum.
    »Ich habe alles organisiert. Wird schon nichts passieren. Und in Tunis holt euch dein Vater vom Flughafen ab«, sagte er und zündete sich eine Zigarette an. Diskussion beendet. Ich hatte panische Angst, aber es hatte keinen Sinn, ihm zu widersprechen. Auf dem Weg zum Flughafen saß ich bei meinen Söhnen auf der Rückbank des Autos. Amal hatte ich auf den Schoß genommen. Trotz Bauchschmerzen. Der Himmel war grau, in mir war es grau. Die Kinder waren ängstlich und drückten sich an mich. »Ich komme mit dem Auto nach«, sagte mein Mann mehr zu sich selbst oder zur Windschutzscheibe als zu uns. Ich biss die Zähne zusammen.
    Nur noch ein paar Stunden, und ich würde meine Familie wiedersehen. Jedes Jahr sehnte ich mich nach diesem Moment und hatte ein Kribbeln im Bauch. Würde ich es in diesem Sommer endlich übers Herz bringen zu erzählen, wie es mir in Deutschland wirklich ging? Würde ich meinem Vater sagen: »Du hast den Falschen für mich ausgesucht. Es ist die Hölle mit Abdullah«? Vielleicht würde es mir der Vater aber auch ansehen. Müsste er eigentlich. Er kannte mich doch, wie ich einmal war, und sah, was von mir noch übriggeblieben war. Wie meine Mutter. Obwohl sie sich

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