Loewenmutter
und Spaghetti?« – »Klar, alles.« – »Kaufst du mir ein Überraschungsei?« – »Sicher!«
Wie werde ich das bloß überstehen? Die beiden Jungs hatten noch immer nicht richtig begriffen, dass sie alleine fliegen sollten. Ich trug ihre Taschen ins Auto, zupfte an den beiden herum. »Wenn ihr in Hamburg ankommt, holt ihr gleich eure Jacken aus dem Rucksack und zieht sie an. Dort ist es immer kälter als hier«, ermahnte ich sie. »Nicht dass ihr einen Schnupfen bekommt.« Abdullah verlor nicht viele Worte, er wollte den Abschied so schnell wie möglich hinter sich bringen. »Beeilt euch«, trieb er sie an.
Als die Kinder ins Auto steigen, habe ich das Gefühl, als würden mir Arme und Beine abgetrennt. Mit dem Messer, saubere Schnitte. Tatenlos muss ich dabei zusehen, ich bin taub vor Schmerzen. »Und du, Mami, wann kommst du?«, rufen die beiden. Ich stehe am Gartentor und schlucke und schlucke. Bringe kaum ein »Komme bald nach« über die Lippen. Ich sehe mich nach meiner Mutter um, die in einem tiefblauen Nachtkleid in der Haustür steht, ihre Mundwinkel verächtlich nach unten gezogen. Und in dem Moment, als ich den Satz »Ich komme bald« sage, weiß ich, dass er nicht stimmt. Amal, die neben mir steht, fängt an zu weinen. Ich nehme sie auf den Arm, obwohl sie schwer ist. »Hör auf«, fahre ich sie an, dann blicke ich auf meine nackten Füße, die in Badelatschen stecken, und beiße die Zähne zusammen, bis sie knirschen.
Würde ich bloß endlich den Mund aufmachen und schreien: »Nein, ich will meine Kinder hierbehalten, hier bei mir. Wir bleiben zusammen, bis ich weiß, wie es weitergeht.« Aber ich schreie nicht. Sage keinen Ton. Amal legt ihren tränennassen Kopf an meine Wange. Sie zuckt, ich schrecke zusammen. Ich rieche ihre Hilflosigkeit und spüre ihr Leid. Sie tut mir leid, alle Kinder tun mir leid. Ohne zu wissen, was ich tue, drücke ich Amal meinem Vater in den Arm.
Ich kann die Jungen nicht so gehen lassen! Hustend reiße ich die Autotür auf und lasse mich zu Amin und Jasin auf die Rückbank fallen. Ich will mit, keiner wird mich davon abbringen können mitzufahren. »Aussteigen«, ruft mein Mann erbost, weil er starten will. »Sei doch vernünftig, du kannst Amal nicht alleine lassen.« – »Ich weiß, aber ich will auch Amin und Jasin nicht allein lassen«, schreie ich. »Ich steige nicht aus!« – »Du bist verrückt, du weiß doch genau, dass du nicht mitkommen kannst. Es dauert nur zwei, höchstens drei Wochen, dann kommt ihr nach.« – »Ich komme aber jetzt mit.« – »Das geht nicht, los, steig aus. Wir müssen fahren, sonst verpassen wir den Flieger.« Abdullah ist weiß im Gesicht, seine Augen grau wie Gischt. Amal, die mein Vater inzwischen wieder auf den Boden gestellt und an die Hand genommen hat, weil sie in seinen Armen zu sehr zappelte, schreit und weint: »Mama, Mama, ich will mit!«
Ich will sie nicht hören, das ist doch nicht auszuhalten, was Allah oder Abdullah oder wer auch immer da von mir verlangen. Ich schlage die Autotür zu. »Dann nimm mich wenigstens mit bis zum Flughafen«, brülle ich. In den Ferien hatte sich Abdullah kaum um die Kinder gekümmert, und nun will er sie mir einfach wegnehmen. Sang- und klanglos. Das kann nicht richtig sein! Nein! Aber jetzt fangen auch noch Amin und Jasin an zu weinen. »Mama, bleib hier bei uns, komm mit!« Sie halten mich mit ihren kleinen Händen an meinen Armen und klammern sich fest, weil sie denken, ich würde wieder aussteigen. Gleichzeitig fürchten sie sich vor ihrem Vater, der mich loswerden will. Es ist bitter. Abdullah steigt noch einmal aus, ich spüre seine unterdrückte Wut in jeder seiner Bewegungen. Wie er mit kurzen Schritten ums Auto herumgeht, meine Tür aufreißt, den Kopf hocherhoben, und zu meinem Vater sagt: »Hadsch, sag du ihr, dass sie aussteigen soll. Sieh doch Amal, wie sie weint.«
Doch Vater reagiert anders als erwartet. Unser Schmerz hat ihn milde gestimmt, und zum ersten Mal stimmt er seinem Schwiegersohn nicht zu. »Warum? Es ist doch verständlich, dass der Mutter der Abschied von ihren Kindern schwerfällt. Lass sie mitkommen«, sagt er, und zu Amal gewandt: »Ummi kommt heute Abend wieder. Komm, wir gehen Ball spielen, darfst mit dem Opa spielen. Oder möchtest du etwas essen?«
Es zerreißt mich. Ich beuge mich nach vorne, klemme meine Hände zwischen die Knie, starre stumm in meinen Schoß. Das Weinen der Kinder klingt wie eine Anklage in meinen Ohren. »Bleib bei mir«, tönt
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