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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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hacken dürfe. »Ich hasse diese Uhr«, sagte er. Da gab ich ihm das Beil.
    Spätabends, als Abdullah nach Hause kam, saß ich am Küchentisch und legte Wäsche zusammen. Eine Arbeit, die ich immer gerne gemacht hatte. Weil ich dabei ruhig wurde, und nun musste ich mich irgendwie beruhigen und auf andere Gedanken kommen. »Was hast du mit der Schrankwand im Wohnzimmer gemacht?«, fragte mein Mann und musterte mich. »Ich wollte Brennholz daraus machen«, entgegnete ich kühl. »Es ist kalt in der Wohnung, und der Schrank hat mir sowieso nie gefallen.« Ich provozierte Abdullah, ich wunderte mich über mich selbst. Gleich würde es einen Riesenkrach geben. Doch er blieb ganz ruhig. »Sollen wir es noch einmal zusammen versuchen?«, fragte er wie aus heiterem Himmel und nahm mir ein Wäschestück aus der Hand. Darauf war ich nicht gefasst. Was war plötzlich in ihn gefahren? Ein paar Tage vorher macht er noch mit seiner Algerierin rum, und jetzt spielt er wieder Familie? Das passte nicht zusammen. Was sollte ich ihm antworten? Dass er ein Schwein sei, weil er mir meinen Pass geklaut hat? Ich tat, als hätte ich seine Frage nicht gehört, und faltete ein Handtuch zusammen.
    »Wie bist du überhaupt hierhergekommen?«, fragte er. Er hatte das Wäschestück wieder auf den Tisch geworfen, sich mir gegenüber gesetzt und rollte nun nervös einen Zipfel der Tischdecke auf. »Mit Pass und Visum von der deutschen Botschaft in Tunis«, entgegnete ich, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Sag bloß, dass du dir das selbst besorgt hast.« – »Ja, hab ich. Und wenn wir schon beim Thema sind«, fuhr ich fort, »ich würde gern Amal zu uns holen?« – »Und?« – »Du hast ihren Pass. Wenn du ihn meinem Vater schickst, wird er ein Flugticket für sie besorgen und sie in ein Flugzeug setzen.« – »Willst du sie etwa alleine fliegen lassen?« – »Ja, warum nicht. Die Jungs haben es doch auch geschafft.« – »Gut, ich überleg’s mir.«
    Ein paar Tage später kam Abdullah mit drei Landsleuten von der Arbeit. Ich kannte sie von früher, als ich frisch aus Tunesien gekommen war. Ich kochte Tee und trug ihn ins Wohnzimmer. Dichter Zigarettenqualm hing in der Luft. »Bleib«, sagte Abdullah, als er sah, dass ich gleich wieder in die Küche verschwinden wollte. Er goss seinen Landsleuten den Tee ein, dann schaute er zu mir. Ich hatte mich mit dem Rücken an die Fensterbank gelehnt, die Gardinen waren zugezogen. »Ich habe drei Freunde mitgebracht«, sagte Abdullah, »die bezeugen sollen, dass ich mich wieder mit dir versöhnen möchte.« – Sich noch einmal mit mir versöhnen? Wie sollte ich das verstehen? – Ich sah von einem zum anderen. Was ist von einem solchen Gesinnungswandel zu halten? Ist das wirklich sein Ernst? Und die algerische Freundin? Ich sah in Abdullahs hageres Gesicht, in seine grünen Augen, die glasklar und doch undurchdringlich waren. Will er sich wirklich ändern und alles wiedergutmachen, was er angerichtet hatte? Würde ich ihm je wieder trauen können, nachdem er mich auf so schäbige Weise in Tunesien hatte sitzenlassen? – Nein! – Was soll ich sagen? »Gut«, sagte ich. Wenn er sich aussöhnen wollte, mir recht. Es war mir alles recht, wenn er mir nur Amal nach Deutschland holen würde.
    Ich wollte die Familie wieder beisammen haben, nichts anderes. Als die Männer gegangen waren, wickelte ich mich in eine Decke ein und setzte mich zu Abdullah auf die Couch. Es war schon spät, die Luft zum Schneiden dick. Da stand mein Mann auf, musterte mich von oben bis unten und blies den Rauch seiner Zigarette seitlich aus den Mundwinkeln. Ich könne doch wieder bei ihm hier im Wohnzimmer schlafen, meinte er nun. Ruhig sagte er das, als sei nie etwas zwischen uns gewesen.
    Er war mir unheimlich. Was wollte er von mir? Was ging bloß vor in ihm? »Wollen wir es nicht noch einmal mit unserer Ehe versuchen?«, fragte er unvermittelt. »Wieder eine richtige Familie sein, Vater, Mutter, Kinder?« – »Und deine Freundin?« – »Die schicke ich zum Teufel«, sagte er wegwerfend, drückte seine Zigarette auf dem Fensterbrett aus. Dann öffnete er das Fenster und schnippte die Kippe in die Dämmerung hinaus. »Und Amal?«, fragte ich. »Die holen wir zu uns. Ist doch klar, sie gehört zu uns, zu ihren Eltern.« Ich wurde nicht schlau aus diesem Mann. Immer tat er genau das Gegenteil von dem, was ich erwartete. Warum war er plötzlich so nett? »Und ihr Reisepass?«, fragte ich. »Den schicke ich

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