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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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schickte ich den beiden einen flüchtigen Kuss nach. »Gut, dass du wieder bei uns bist«, rief Jasin und hatte schon die Straße zum Spielplatz überquert.
    Ich lehnte an der gekachelten Wand im Hausflur. Eine ältere Dame mit Dackel, sie musste wohl eine neue Mieterin sein, kam die Treppe herunter. Sie grüßte, ich grüßte zurück, trat aber einen Schritt zurück. Sie lachte: »Der Hund ist absolut harmlos.« Ob Jasin und Amin den Dackel schon kennen? Immer haben sie sich einen Hund gewünscht. Was sind sie doch für liebe Kerle. Dass ich es nur so lange ohne sie ausgehalten habe!
    Gegen Mittag kam kein Jasin nach Hause, auch kein Amin. Vielleicht waren sie auf dem Weg aufgehalten worden? War wieder ein Zirkus in der Nähe? Oder waren sie mit anderen Jungs nach Hause gegangen? Ich machte mir Sorgen, wartete, eine halbe Stunde und mehr, stellte mich ans Fenster, riss die Wohnungstür auf, rief nach ihnen, machte die Tür wieder zu. Noch immer traute ich mich nicht alleine aus dem Haus. Als ich im Flur Schritte hörte, riss ich von Neuem die Tür auf: Abdullah.
    »Die Kinder sind noch nicht von der Schule zurück«, rief ich ihm entgegen. »Kannst du schauen, wo sie bleiben?« Er blieb stehen, legte die Stirn in Falten, klopfte eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie an und ging an mir vorbei in die Wohnung. »Komm rein und mach die Tür zu«, sagte er. Mein Blut pochte in den Schläfen. »Hast du mich nicht verstanden? Amin und Jasin sind nicht da, ich mache mir Sorgen«, schrie ich ihn an. Noch immer reagierte er nicht, stattdessen hob er den Deckel vom Topf, der auf dem Herd stand, um zu sehen, was ich gekocht hatte. »Sag mir, was los ist. Du hast die beiden doch zur Schule gefahren. Wo hast du sie zuletzt gesehen?« Eine unheimliche Ahnung stieg in mir hoch, ich zitterte plötzlich, hatte Angst. Hat es einen Unfall gegeben, sind sie im Krankenhaus? Abdullah muss es doch wissen. Warum sagt er mir nichts?
    Die Sekunden dehnen sich, ich starre ihn an, verfolge seine Bewegungen, will ihn packen, mit beiden Händen, eine Antwort aus ihm herausschütteln. Da greift er langsam nach seiner goldenen Uhr, um sie ein wenig unter dem Ärmel seines Jacketts hervorzuziehen. Er schaut auf das Zifferblatt. »Ja«, sagt er und seine Stimme klingt fast mitleidig. »Nun müssten sie eigentlich schon gelandet sein.« – »Waaaaas? Wer – sie? Was meinst du damit? Wo gelandet?« – »In Tunis. Ich habe die Jungen mit dem Flugzeug nach Tunesien geschickt.«
    Der Atem stockt mir. Nein!, will ich schreien, aber kein Ton kommt aus meinem Mund. »Ja«, fährt Abdullah lässig fort, »mein Bruder hat sie wahrscheinlich abgeholt, und nun sind sie unterwegs nach Hause.«
    »Nach Hause?«, schreie ich. Das kann ich nicht glauben. So gemein ist mein Mann nicht, das kann nicht sein. Welches Spiel spielt er mit mir? »Nein«, rufe ich nun doch, und meine Stimme überschlägt sich, »du lügst mich an! Ich glaube dir kein Wort. Nie hätte ich dir etwas glauben sollen. Du bist krank.« Ich tobe. Ich weiß nicht mehr, was ich tue. Soll er mich doch umbringen, endlich umbringen. Das wäre nicht schlimmer als diese Folter. Die Kinder zum zweiten Mal entführt – das halte ich nicht aus. Ich renne zum Fenster, mache es auf, reiße mir das Kopftuch herunter, das ich in letzter Zeit immer trage. Hinausschreien will ich es, so laut ich nur kann: Mein Mann ist ein Schwein. Er hat meine Kinder entführt. Lieber will ich sterben, als das auszuhalten.
    Ich schreie. Die ganze Welt soll wissen, dass er ein Verbrecher ist und welche Schmerzen ich leide. »Bring mich doch um, das ist es doch, was du willst, mich loswerden. Los, schlag mich«, brülle ich. Alle sollen es hören, wenn er mich prügelt, wenn er mich totschlägt und das ungeborene Kind auch. Ich hasse den Mann, ich hasse das Kind, und am allermeisten hasse ich mich selbst. Weil ich mich noch einmal auf sein dreckiges, fieses Spiel eingelassen habe.
    Doch da packt mich Abdullah schon von hinten, zieht mich an meinen langen Haaren, wirft mich zu Boden und drückt mir die Hand auf den Mund. Wie von Sinnen beiße und trete ich nach ihm. Er schlägt mir ins Gesicht und drückt fester zu. Zischt zwischen zusammengepressten Zähnen hervor: »Wenn du weiter schreist, wirst du deine Kinder nie wieder sehen! Hörst du? Nie wieder!« Sein voller Ernst – das spüre ich und erschauere. Von einem Moment auf den anderen bin ich still.
    Halb betäubt blieb ich liegen. Minuten oder Stunden. Ich weiß

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