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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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nach Tunesien, gleich morgen.« Ich glaubte ihm kein Wort und hätte doch alles getan, um Amal hierher zu holen. Das wusste er. Es war wie ein Arrangement. Er konnte von mir haben, was er wollte, wenn er nur unsere Tochter zurück nach Deutschland holte. Ich wollte vergessen, was passiert war, und legte mich zu ihm.

    Nicht lange, und ich spürte, dass ich wieder schwanger war. Dieses Mal freute sich Abdullah aber ganz und gar nicht. Das passte irgendwie nicht in seinen Plan. Zum ersten Mal sprach er gleich nach der Untersuchung bei der Frauenärztin mit mir darüber. Was heißt sprach? Noch auf dem Parkplatz vor der Praxis begann er mir Vorwürfe zu machen. »Warum verhütest du nicht? Noch nie was davon gehört? Wie konnte es nur so weit kommen?« Es war nicht zu fassen. Früher hatte er getobt, weil ich heimlich die Pille genommen hatte, jetzt tobte er, weil ich sie nicht nahm. Immer war es verkehrt, und im ersten Moment meinte ich tatsächlich, mich für die Schwangerschaft rechtfertigen zu müssen. »Es gab in Tunesien keinen Grund für mich, die Pille zu nehmen. Und jetzt kommst du zu mir ins Bett, ob’s mir gefällt oder nicht, ob ich das möchte oder nicht … Und ich soll dafür verantwortlich sein?«
    Das verschlug mir fast die Sprache. Wieder als Familie zusammenleben? Dass ich nicht lache! Als ob davon nie die Rede gewesen sei. Was für ein Wechselbad der Gefühle, nicht auszuhalten. Abdullah ist unberechenbar und ich bin ihm ausgeliefert. Abdullah benutzt mich. Nie weiß ich, was er vorhat. Wenn ich jetzt in Tunesien wäre, würde ich einfach weglaufen. Aber hier? Wohin? Wie soll ich mich allein mit drei Kindern in Deutschland durchschlagen? Ich kann kein Deutsch, nicht lesen und nicht schreiben. Wie soll ich für uns sorgen?
    Es nieselte, und der Wind jagte die Wolken vor sich her. Abdullah saß schon im Auto, die Scheibenwischer wischten in ihrem regelmäßigen Takt und fegten die Tropfen von der Windschutzscheibe. Ich stieg ein. Trotz meiner Angst vor ihm. Noch mehr Angst hatte ich davor, alleine zu sein.
    Ich war früh aufgestanden. Hatte wieder einmal das Gefühl, nicht geschlafen zu haben. Die Wolken hingen über der Stadt wie achtlos über die Leine geworfene Wäsche, dazwischen lugte die Morgensonne durch. Ich stand am offenen Fenster in der Küche und schaute über den Spielplatz. Die ganze Nacht über hatte ich mir den Kopf zermartert. Noch ein Kind, unmöglich. Sollte ich zu meiner Ärztin gehen und sagen, es geht nicht? Wie soll ich mich um vier Kinder kümmern, wenn ich es mit dreien nicht schaffe? Abgesehen davon, dass ich mich ihr sowieso nicht verständlich machen kann. Abdullah war gegen ein Kind, vielleicht sollte ich mich aus Trotz darauf freuen?
    Nach dem Krach auf dem Parkplatz hatte er zwei Tage lang nichts mehr von sich hören und sehen lassen. Im Nachhinein weiß ich, was er in dieser Zeit tat. Er war im Reisebüro gewesen und hatte mit seiner Freundin Pläne gemacht. Dann war er plötzlich wieder da. Wir haben kein Wort miteinander gesprochen. Ich fragte nicht einmal, ob er Amals Papiere endlich nach Tunesien geschickt habe.
    Ein paar Spatzen flatterten auf, als ich die Brotkrümel vom Brettchen hinaus auf das Fensterbrett klopfte. Höchste Zeit zum Frühstücken. Ich hatte Amin und Jasin geweckt, wollte Pausenbrote für die Schule schmieren. Gähnend kamen sie nacheinander in die Küche. »Frisches T-Shirt«, forderte ich Jasin auf, während Amin sich schon an den Tisch setzte und Cornflakes aus der Schüssel löffelte.
    Abdullah kam dazu, stand ein paar Minuten im Türrahmen und beobachtete uns, dann stellte er Wasser auf und brühte sich einen Nescafé. Ich wunderte mich, dass er noch nicht bei der Arbeit war. Seltsam, warum frühstückte er mit uns? Als ob er meine Gedanken lesen könne, sagte er plötzlich: »Ich fahre die Kinder heute zur Schule.« 200 Meter? Überrascht schaute ich zuerst ihn an, dann die Kinder. Vielleicht wollte er mit der Lehrerin etwas besprechen, keine Ahnung. Alles, was die Schule anging, war mir immer noch völlig fremd.
    Die Jungs freuten sich, dass der Vater sie absetzen wollte. Auf das Auto waren sie immer stolz gewesen. So ein schickes hatten nicht alle Kinder ihrer Klasse. »Beslema«, verabschiedeten sie sich, »Tschüs«, und ich half ihnen, die Schulranzen auf den Rücken zu packen. »Bis heute Mittag, viel Spaß in der Schule«, rief ich, als sie zur Haustür gingen. Abdullah war schon vorausgegangen, das Auto zu holen. Mit einer Hand

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