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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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Iturup abzubrennen, nicht zu vergessen: die Speicher, nachdem man den Reis tapfer requiriert, alle Vorräte tolldreist abgeführt hat? Das war doch eine Tat! Nur: wovon sollen die paar Leute, die der Zuchtrute entgangen sind, einen Winter lang leben, in dem kein Schiff ihre Küste erreicht?
    Ja, die Kunde von diesem Wagestück ist sogar nach Archangel gedrungen – dazu kann man den Anstifter, Herrn Resanow, nur beglückwünschen, postum, da er – welche Hiobsbotschaft! – unterwegs durch Sibirien, zur Berichterstattung an seinen Zaren, einem schweren Schnupfen erlegen ist. Meine Trauer über den Tod dieses Mannes wird nur durch das Staunen über sein wirksames Fortleben übertroffen. Offenbar ist es ihm aus dem Grab heraus gelungen, den Arm seines russisch-amerikanischen Kompagnons zu bewaffnen – und später hat sich, wie zu erwarten, auch Dawydow angeschlossen. Mit verdoppelter Kraft haben die Dioskuren in Sachalin noch einen draufgesetzt. Sollten sie versäumt haben, Frauen Gewalt zu tun – wofür hat man seine Mannschaft! Und diese hat, wie ich erleichtert vernehme, beim lustigen Japanesen-Schießen keinen einzigen Mann verloren. Herr Chwostow ließ sich auch nicht nehmen, die eingeborenen Ainus oder Kurilen zu stolzen Untertanen des Zaren zu schlagen und ihnen Klunker umzuhängen, womit sie dem allerhöchsten Schutz empfohlen waren. Diesen selbst zu übernehmen, sahen sich die Herzbrüder leider nicht mehr in der Lage. Sie segelten wieder ab, nicht, ohne alles, was ihre Schiffe fassen konnten, aus den bestraften Dörfern abzuführen, bevor sie diese dem Feuer überantworteten. Zur Ausbeute gehörten auch ein paar leibhafte Japanesen, die in Rußland für künftige Austauschgeschäfte kühlgestellt wurden. Aber die Herren hinterließen auch etwas Solides:Denktafeln, auf denen die Zugehörigkeit der Insel zum Zarenreich in Blech gehämmert war. Der erste russische Sieg über die Japanesen: ein Spaziergang!
    Ich habe die Herren in Portsmouth erlebt. Es sind wahre Übermenschen. Der eine kann vor Kraft kaum gehen, der andere bestätigt ihm Unwiderstehlichkeit und führt ihn am Gängelband. Wären es keine Mörder, man könnte sie pittoresk finden. Das Wochenblatt von Archangel läßt offen, ob Resanow ihren Auftrag gedeckt hat. Er soll ihn, nachdem die Herren gemeinsam einen Abstecher nach Amerika absolviert hatten, zwar erteilt, dann aber aufgeschoben, wohl gar aufgehoben, halb widerrufen, dann wieder dem Gutdünken Chwostows anheimgestellt haben – ganz unser Resanow! Chwostow aber war nie der Mann, sich zweimal bitten zu lassen. Seine Antwort auf ein halbes Wort ist immer eine ganze Tat: Nägel mit Köpfen! Wozu braucht man da noch einen eigenen?
    Es scheint allerdings, daß die Helden ihrer Tat nicht recht froh geworden sind. Statt sie in Ochotsk gebührend zu feiern, sei man ihnen mit bürokratischer Kleinlichkeit begegnet. Sie sollen Beute hinterzogen haben; dafür habe man sie gar in Ketten gelegt und ins Gefängnis nach Irkutsk überstellt. Schon Herrn Resanow scheint Böses geschwant zu haben, als er seinen Auftrag teils gegeben, teils zurückgenommen hat – wozu hätte er sonst seine Bereitschaft erklärt, für einen unverlangten Dienst an seinem Zaren notfalls den Kopf zu verwirken? Machte er sich darum so eilig auf den Weg nach Petersburg, um ihn dann doch lieber aus der Schlinge zu ziehen, auf Kosten zweier Heißsporne, die sich angemaßt hatten, seinen diplomatisch geäußerten Willen platterdings zu vollstrecken? Oder kam Romantik ins Spiel: war es nur sein heißes Herz, das den Witwer nach Petersburg getrieben hat, um den Segen Seiner Majestät für die Heirat mit einer blutjungen Conchita von San Francisco zu erflehen? Bei so viel Hitze könnte es dann nicht verwundern, daß schon die erste beste Verkühlung diesen herrlichen Mann dahinraffen konnte. Und was wögen daneben ein paar verbrannte Japanesen, ein paar geplünderte Dörfer!
    Der «Bote von Archangel» zitiert, aus ungenannter Quelle, eineDarstellung des Dichters Dawydow, die durch Genie besticht – es wird nur noch von seiner Selbstlosigkeit übertroffen. Denn wie steht geschrieben? «Es muß ja Ärgernis kommen, aber weh dem Menschen, durch welchen es kommt.» Die geschlossene Tür der Japanesen
mußte
aufgetreten werden, damit sie zur Welt kämen; aber der gestiefelte Geburtshelfer erntet keinen Dank, er muß sich als Schänder und Schächer beschimpfen lassen. Eigentlich sind Chwostow und Dawydow die wahren Märtyrer ihrer Tat,

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