Loewinnenherz
hätte.
Schließlich kam eine erneute Massenentlassung. Inzwischen war die Stimmung so schlecht, dass mich die Leute fast anspuckten, wenn ich ihnen die Kündigung überbrachte. Schließlich musste ich auch unserem Finanzleiter die Kündigung aussprechen, mit dem ich all die Jahre eng zusammengearbeitet hatte. Noch am selben Tag kam mein Chef auf mich zu und drückte mir meine eigene Kündigung in die Hand. Die ganze Situation war so verrückt und grotesk, dass man sie sich kaum vorstellen |176| kann. Denn mein Chef kündigte mir nicht nur, er fragte mich gleichzeitig, ob ich nicht auf freiberuflicher Basis für sie weiterhin den Dreck wegräumen wollte.
Ich ging zur Toilette und musste mich übergeben. Als ich nach Hause kam, flippte ich wieder einmal aus. Schrie herum, schlug Türen, weinte. Am Tag darauf ging es mir extrem schlecht.
„Gut“, dachte ich, „das ist alles einfach zu viel für mich.“
Schon wieder war mir übel.
„Du bist bestimmt schwanger“, meinte Attila.
Ich sah ihn an. Schwanger?
„Glaub ich eigentlich nicht“, sagte ich.
Dennoch kaufte ich mir auf dem Weg zur Arbeit einen Schwangerschaftstest. Und vergaß das Ganze im Trubel der Insolvenz wieder. Erst am Abend, Attila schlief schon, machte ich den Test. Und siehe da, er war positiv. Sofort weckte ich Attila auf.
„Schatz“, frohlockte ich, „du hast recht! Ich bin schwanger!“
So glücklich habe ich meinen Mann nur selten erlebt.
Am nächsten Tag ging ich zum Arzt, der das Ergebnis des Schwangerschaftstests bestätigte und mir die Schwangerschaft schriftlich attestierte.
Damit ging ich zu meinem Chef.
„Sie müssen Ihre Kündigung zurücknehmen“, sagte ich freundlich.
„So?“, meinte er spöttisch, „und warum, wenn ich fragen darf?“
„Weil ich schwanger bin.“
Und mit diesen Worten legte ich das Attest auf den Schreibtisch. Er starrte es an.
„Sie haben Ihre Kündigung doch schon erhalten.“
„Aber sie ist nicht wirksam. Weil ich nämlich vorgestern auch schon schwanger war, wie Sie hier sehen können.“
Sicherheitshalber ging ich zum Anwalt und ließ mich beraten. Ich war im Recht. Alles war genau zum richtigen Zeitpunkt geschehen. |177| Die Firma hatte versucht, mich so lange wie möglich zu benutzen und dann fallen zu lassen. Aber das war nicht gelungen. Sie mussten die Kündigung tatsächlich zurücknehmen.
Allerdings erklärten sie mir danach den Krieg. Ich wurde abgemahnt wegen einer Sache, die ich selbst eigentlich gar nicht zu verantworten hatte, sondern die im Durcheinander mit dem Insolvenzbüro entstanden war. Der psychische Druck wurde immer größer, ich wurde aufs Schlimmste gemobbt. Ich sei nur schwanger geworden, um der Kündigung zu entgehen, hieß es, und das war noch das Netteste von all den Dingen, die man auf einmal über mich erzählte. In der achten Woche meiner Schwangerschaft erlitt ich erneut Blutungen im Büro. Eine Welle des Schmerzes ging durch meinen Unterleib. Ich ging auf der Stelle zum Frauenarzt. Er untersuchte mich und versicherte mir, dass das Kind noch da sei. „Wegen dieses bisschen Blut kommen Sie zu mir?“, fragte er mich, als ich mich anzog. Ich glaubte, mich verhört zu haben.
„Aber ich habe doch erst im vergangenen Jahr ein Kind verloren“, sagte ich, „Sie haben doch selbst die Ausschabung vorgenommen!“
Doch ihm schienen meine Blutungen kein Anlass zur Sorge. Daraufhin ging ich zu einer anderen Ärztin. Sie schüttelte nur den Kopf und schrieb mich auf der Stelle krank. Aufgrund der starken Vernarbungen im Unterleib, die von den vielen Operationen während meiner Kindheit herrührten, solle ich äußerst vorsichtig sein. „Sie dürfen auf keinen Fall weiter arbeiten gehen“, sagte sie. „Schonen Sie Ihre Seele, schonen Sie Ihr Kind. Wenn Sie weiter in diese Firma gehen, verlieren Sie es ganz sicher.“
Dennoch war ich noch immer nicht davon überzeugt, dass ich mich tatsächlich von Heute auf Morgen aus der Firma herausnehmen könnte.
„Ich kann doch die Leute dort nicht einfach so im Stich lassen“, sagte ich zu Attila, der mich für wahnsinnig erklärte und zum ersten und einzigen Mal in unserer Beziehung so richtig ausrastete.
|178| „Ich will aber jetzt mein Kind!“, brüllte er.
Da habe ich endlich verstanden, dass es an der Zeit war, an mich und an meine Familie zu denken. Und so rief ich in der Firma an, um ihnen mitzuteilen, dass ich auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben war.
Die gesamten Schlussabrechnungen übernahm
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