Loge der Lust
ihre Hände nicht so stark zitterten. Während der ganzen Fahrt knabberte sie an ihrer Unterlippe. Sie schmeckte Lippenstift.
Als Teena ein Schild mit der Aufschrift „Cunninghall Manor“ passierte, murmelte sie: „Himmel, was mache ich hier eigentlich?“ Sie hatte niemandem erzählt, was sie vorhatte. Sollte ihr etwas zustoßen …
„Denke gar nicht erst daran!“, ermahnte sie sich.
Sie lenkte den Landrover durch ein kleines Wäldchen und kam an eine Sandsteinmauer. Dahinter lag das Haus, in der Ferne sichtete sie das Dach. Teena hielt vor einem Eisentor, fuhr das Fenster herunter und klingelte.
„Ja, bitte?“, erklang eine nasale Männerstimme aus dem Lautsprecher. Eine Kamera zoomte. Das Geräusch war deutlich in der Stille der Abenddämmerung zu hören.
Sie lehnte sich aus dem Fenster und sprach laut und deutlich: „Christeena McLight für Mister Ethan Woodridge.“
„Haben Sie einen Termin?“
Teena zögerte. „Nein, aber er wird mich empfangen.“ Falls er überhaupt zu Hause ist, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Einen Moment, bitte.“ Die Leitung knisterte. Dann war es wieder still.
Teena spähte zu den Klippen, konnte das Meer aber nicht sehen. Nur das Säuseln des Windes war zu hören und ein Rascheln im Unterholz. Es war ein lauer Sommerabend. Die Sonne versank am Horizont und tauchte den Himmel in ein flammendes Rot.
Teena erschrak, als das Tor aufschwang. Langsam fuhr sie über einen Schotterweg auf das Anwesen, geradewegs auf Cunninghall Manor zu. Das Herrschaftshaus stand inmitten einer Wiese – englischer Rasen, akkurat geschnitten, gleichmäßig und kurz, ein grüner Teppich ohne das kleinste Anzeichen von Moos oder Löwenzahn. Den Weg säumten Ringelblumen, die in gleichmäßigen Abständen gepflanzt waren. Alle besaßen den gleichen satten Gelbton. Teena kam sich vor wie auf einem Rollfeld, denn die gelben Blüten erschienen ihr wie Lichter, die ihr den Weg wiesen. Auf dem Rasen erblickte sie einen Pavillon aus weiß lackierten, kunstvoll ineinander verschlungenen Eisenstangen, an denen gelbe Kletterrosen rankten. Das Anwesen wurde an drei Seiten von der Mauer eingegrenzt und an einer Seite von den Klippen, auf denen eine Holzbank stand, die schon bessere Zeiten gesehen hatte.
Im Winter muss es hier ziemlich stürmen, dachte Teena und parkte unmittelbar vor dem Gebäude. Es hatte hohe Giebel und wirkte durch seine roten Backsteine rustikal und gemütlich, nicht so steril wie der Rasen.
Teena stieg aus, zog den Saum ihres Minirocks tiefer und blickte nervös zu den Fenstern. Niemand war zu sehen. Ob Woodridge sie beobachtete? Sie richtete ihr Bustier.
„Ich habe das Parfum vergessen.“ Hastig kramte sie in ihrer Handtasche nach dem kleinen Flakon. Da war er ja. Sie trug einige Tropfen „Knowing“ von Estée Lauder zwischen ihren Brüsten auf und steckte das Fläschchen zurück in die Tasche. Dann straffte sie die Schultern und schritt die kleine Steintreppe empor.
Die Haustür öffnete sich. Ein Butler nickte ihr zu und machte eine einladende Geste. „Bitte, treten Sie ein, Miss McLight.“ Sie erkannte die nasale Stimme wieder.
„Danke.“ Teena folgte ihm bis in die Eingangshalle, in der er sie zu warten bat. Ihr Herz pochte. Sie hasste es zu warten. Doch diesmal konnte sie die Zeit nutzen, sich zu sammeln. Innerlich zählte sie immer wieder bis zehn. Sie bemühte sich, langsam ein- und auszuatmen, aber ihr Puls beruhigte sich nicht. Offensichtlich war der Earl tatsächlich daheim. Teena wusste nicht, ob sie glücklich oder betrübt darüber sein sollte. Sie wischte ihre feuchten Handflächen am Bustier-Hemd ab und wünschte sich, sie hätte Jeans und T-Shirt gewählt, in denen sie sich hätte verstecken können. Aber nun war sie hier, sie hatte eine Entscheidung getroffen und musste das Beste daraus machen. Um sich abzulenken, sah sie sich um. Überall standen antiquarische Kommoden, die sich bestimmt seit vielen Generationen im Familienbesitz derer von Cunninghall befanden, Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen Personen in nostalgischen Automobilen zu sehen waren, und Vasen mit filigranen Blumenmustern. Da bemerkte sie die Jagdszene, die hoch über ihr die Decke zierte.
„Gefällt Ihnen die Deckenmalerei?“
Teena erschrak. Ethan Woodridge hatte sich unbemerkt genähert. Er öffnete die obersten Knöpfe seines kurzärmeligen Seidenhemds und steckte lässig die Hände in die Taschen seiner Sommerhose. Keine Schuhe. Keine Socken. Er lief barfuß.
„Ich halte nichts
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