Loge der Lust
Seidentuch auf die Augen und band es an ihrem Hinterkopf fest. Dann rückte er es zurecht, um sicherzugehen, dass sie wirklich nichts sehen konnte.
Seltsamerweise beruhigte es Teena, für den Moment blind zu sein. So musste sie Ethans anmaßende Miene nicht länger ertragen. Aber war seine Selbstgefälligkeit während ihres Gesprächs nicht gebröckelt? Ihre eigene Nacktheit war ihr nun nicht mehr so bewusst. Die Realität wurde immer unwirklicher, und sie bekam das Gefühl, sich in einem ihrer lüsternen Träume zu befinden. Obwohl sie aufgeregt und die Wut auf Ethan noch nicht vollständig verflogen war, entspannte sie sich. Sie nahm tiefe Atemzüge. Vertrauen, der Maskierte hatte so oft davon gesprochen, auch davon, dass man Teena ständig zu ihrem eigenen Glück zwingen müsse. Diesmal nicht. Sie ließ sich auf Ethans Spiel ein.
Teena hörte gedämpfte Schritte auf dem Teppich, die sich fortbewegten und wieder zurückkehrten. Sie spürte kühles Glas an ihren Lippen. Zuerst erschrak sie, doch dann öffnete sie den Mund, denn sie roch köstlichen Rotwein.
„Es wäre zu schade, den Beaujolais Supérieur schal werden zu lassen, denn er spricht alle Sinne an, und darum geht es doch beim Sex“, säuselte Ethan, während sie trank. „Er wurde in Villefranche-sur-Saône angebaut, einer bezaubernden französischen Gemeinde. Konzentrieren Sie sich auf den fruchtigen Geschmack, ma chère. Nehmen Sie den Duft wahr. Beaujolais ist ein sinnliches Getränk, wenn man den Wein zu genießen weiß.“ Er nahm das Glas fort und stellte es auf die Fensterbank. „Darum geht es doch – zu lernen, etwas richtig zu genießen und sich fallen zu lassen.“
Sie hörte, wie Ethan die Terrassentür öffnete, und erschauerte bei dem Luftzug. Oder lag es an seinen Worten?
„Es ist eine laue Sommernacht.“ Er sog hörbar Luft ein. „Die Sonne ist längst im Meer versunken, aber stockdunkel ist es trotzdem nicht. Der Mond scheint hell. Ich vermute, in einer Woche werden wir Vollmond haben. Kein Wölkchen ist am Firmament zu sehen.“
Er nahm Teenas Oberarm und führte sie hinaus auf die Terrasse. „Wir werden einen kleinen Spaziergang machen, und ich möchte, dass Sie auf alles genauestens achten. Spüren Sie die Sinnlichkeit der Natur.“
Teena blieb nichts anderes übrig, als dem Earl zu vertrauen. Sie ließ sich von ihm führen. Der Terrassenbelag fühlte sich rau an ihren Fußsohlen an. Sie vermutete, dass Ethan ihn nicht hatte erneuern oder fliesen lassen, seit er Cunninghall Manor übernommen hatte, wahrscheinlich um den Charakter des Herrschaftshauses zu bewahren.
„Vorsicht, Stufe.“ Er nahm ihre Hände.
Sie wusste, dass er am Treppenabsatz stand und sie beobachtete, ohne sie loszulassen. Mit den Zehen tastete sich Teena vor. Sie fand die erste Stufe und stieg hinab. Vertrauen, davon hatte er gesprochen. Sie fand, sie bewies gerade, dass sie ihm vertraute – zumindest für die Dauer eines Spiels –, aber er würde sicher weitaus mehr verlangen.
Nachdem sie zwei weitere Stufen langsam hinabgestiegen war, stand sie auf dem Rasen – und nackt im Garten, das wurde ihr mit einem Mal bewusst. Die Klippen mussten vor ihnen liegen. Genau in diese Richtung führte Ethan sie nun. Ihr war nicht wohl dabei, und sie sträubte sich zaghaft.
„Ich passe auf Sie auf, das habe ich immer getan“, sprach er sanft und zog sie vorwärts. „Konzentrieren Sie sich auf Ihre Wahrnehmung, zum Beispiel auf die Grashalme unter Ihren Füßen. Spüren Sie den weichen Boden?“
„Die Wiese ist feucht.“
„Feucht?“ Ethan lachte und strich ein einziges Mal über ihren Venushügel. „Rupert hat nachmittags den Rasen gesprengt. Nehmen Sie die Feuchtigkeit wahr. Spüren Sie, wie sie aus Ihnen herausfließt und sich auf Ihren Oberschenkeln verteilt, während Sie Schritt für Schritt machen.“
Plötzlich blieb er stehen. Er stellte sich hinter Teena und schmiegte sich an ihren Rücken. „Lauschen Sie. Hören Sie nun das Zirpen der Grille, das romantische Rascheln der Blätter?“
„Ja“, hauchte sie und vernahm den Ruf einer Eule. Er hörte sich lockend an, als würde sie um ein Weibchen balzen. Oder war es nur Teenas eigene Fantasie, die alles um sie herum erotisch auflud? Sie konnte nicht leugnen, dass sie sehr erregt war.
Ethan legte ihre Haare über die Schultern nach vorne und küsste ihren Nacken. „Die Natur ist sinnlich, die Paarung der Tiere etwas Natürliches. Auch für uns Menschen sollte Sex natürlich sein. Kein Zwang,
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