Loge der Lust
dem außer den Pausen wohl auch die Verhöre stattfanden.
Ihm folgte ein verteufelt attraktiver Mann mit kurzem dunklen Haar, das an den Schläfen sauber ausrasiert war. Er besaß einen geraden, zielstrebigen Gang und schritt selbstsicher hinter Matthew her. Obwohl sich eine Zornesfalte über seine Stirn zog, schaute er nicht verbissen drein. Er wirkte erfolgsverwöhnt. Wer auch immer er war, es handelte sich nicht um ein am Boden zerstörtes Opfer. Sein graues Glencheck-Jackett sah teuer aus, es war maßgeschneidert und sicherlich zu warm für diese Jahreszeit. Auch die zum Jackett passende Hose und das schwarze Seidenhemd muteten edel an. Teena sprang auf und sah, dass er kostspielige Lederschuhe trug, die so gut poliert worden waren, dass die schwarze Oberfläche glänzte. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie er selbst mit Schuhcreme ans Werk ging. Er war der Typ Mann, der delegierte.
Plötzlich trafen sich ihre Blicke. Vor Schreck setzte sich Teena wieder. Er schaute in ihr Büro. Seine Miene blieb undurchsichtig. Eine Weile starrte er sie an. Er musterte sie, ohne etwas zu sagen. Nicht einmal sein Mundwinkel zuckte. Teena fühlte sich schwach. Es war, als würde er in sie hineinsehen. Verunsichert nahm sie die Kaffeetasse und hielt sie höher, als nötig gewesen wäre, um ihr Gesicht dahinter zu verstecken, was natürlich lächerlich war. Sie schämte sich auf einmal für das kindische Welpenfoto auf dem Becher und stellte die Tasse weg. Um sich abzulenken, tat sie geschäftig und nahm die nächste Akte.
Kurz nachdem der Fremde weitergegangen war, erschien Joshua im Türrahmen. „Worauf wartest du?“
Teena hatte ganz vergessen, dass Matthew sie schon vor einigen Minuten gerufen hatte. Was musste er nun von ihr denken?
Sie stand auf und eilte mit Joshua zum Verhörraum, wo ihr Vorgesetzter mit dem Fremden auf sie wartete.
Matthew hob die Augenbrauen. „Wo hast du Papier und Bleistift?“
Teena lief hochrot an. „Kein Laptop?“, fragte sie kleinlaut und beantwortete ihre Frage selbst. „Kein Laptop.“
Sie hastete in Lewis‘ Büro hinüber, wo sie über ihre eigenen Füße stolperte und sich gerade noch an der Schreibtischkante abfangen konnte. Beinahe hätte sie dabei noch den Bildschirm heruntergerissen. Mit zittrigen Händen griff sie Block und Kuli und kehrte zu den Männern zurück.
„Endlich“, sagte Matthew gereizt.
Teena war irritiert, da er bislang immer freundlich zu ihr gewesen war. Sie zog den Saum des Lederrocks nach unten, da er ihr auf einmal sehr kurz vorkam, und nahm Platz.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie beschämt und wischte sich die schweißnassen Handflächen unauffällig am T-Shirt ab.
3.
Sein Aftershave war dezent, aber Teena nahm es dennoch wahr. Es handelte sich um einen erdigen Duft mit einem Hauch von Moschus. Tief atmete sie durch die Nase ein und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie der Mann sich aufsetzte, das Jackett auszog und es über die Rückenlehne hängte. Bei allem was er tat, wirkte er elegant, selbst als er sich an dem kleinen Muttermal kratzte, das er an der Nasenwurzel hatte. Teena wäre das Mal nicht einmal aufgefallen, hätte er die Stelle nicht berührt. Es erschien wie ein winziger Schönheitsfehler in seinem gerade geschnittenen Gesicht. Seine Fingernägel waren gepflegt, und er trug keinen Ehering. Offenbar legte er viel Wert auf sein Äußeres, dabei war er keineswegs androgyn wie David Beckham, sondern durchaus ein kerniger Mann. Muskulöse Oberarme lugten unter dem kurzärmeligen Hemd hervor, und ein zarter dunkler Flaum bedeckte seine kräftigen Unterarme. Teena ertappte sich bei dem Wunsch, mit ihren Fingern durch die Härchen zu streichen und seine warme Haut zu spüren. Doch Matthew riss sie jäh aus ihren Gedanken.
Er schritt nervös auf und ab. Dann blieb er stehen und verschränkte die Arme vor dem Körper. „Wir wollen beginnen. Nennen Sie Ihren vollen Namen, das Geburtsdatum und Ihre Adresse.“
„Sie kennen mich doch.“
„Dies ist eine offizielle Befragung. Folgen Sie also bitte meinen Anweisungen“, entgegnete Matthew unwirsch.
Der Mann lehnte sich zurück. Sein Blick verfinsterte sich. Dennoch sprach er ruhig: „Mein Name lautet Ethan Woodridge, Earl of Cunninghall, geboren am 13. Oktober 1961. Ich wohne in der Grafschaft Tyne and Wear, nahe Gardenrye, um genau zu sein, auf Cunninghall Manor auf den Green Terrace Klippen.“ Er hob süffisant die Augenbrauen. „Reicht Ihnen das, Mister Hallow, oder soll ich Ihnen
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