Lohse, Eckart
ist, heilige Kühe zu schlachten, geht er auch
noch das heikle Thema der besonders unter Kommunal- und Landespolitikern so
beliebten Bundeswehrstandorte an. Er kündigt größere Belegungszahlen für die Kasernen
an und droht kleineren Standorten mit der Schließung. Den zu erwartenden Protesten
tritt er schon mal mit Entschlossenheit entgegen: »Regionalpolitische
Gesichtspunkte, die mit voller Wucht einschlagen können, mit voller Wucht,
werden dabei leider kaum prioritär sein können.«
Zumindest in einer Hinsicht ist
Guttenbergs Darlegung klar, nämlich was die Reihenfolge der Argumente angeht.
Weil er sparen will, wird die Bundeswehr kleiner, und die Wehrpflicht fällt
weg. Erst danach stellt er die Frage nach den sicherheitspolitischen
Notwendigkeiten: »Sparbereitschaft hört allerdings dort auf, wo die Grundfragen
nationaler Sicherheit berührt sind und wo die Grundfragen der Sicherheit im Einsatz
und unseres Einsatzauftrages berührt sind.« Die Erklärung, worin denn die
»Grundfragen nationaler Sicherheit« bestehen, bleibt Guttenberg in seiner
ausführlichen Rede schuldig. Das bringt ihm schon kurz darauf den Vorwurf aus
den eigenen Reihen ein, er betreibe eine Sicherheitspolitik »nach Kassenlage«.
Als Rudolf Scharping
Verteidigungsminister wurde, machte ein Scherz die Runde, der auf seine etwas
langsame und behäbige Art zu sprechen und sich zu bewegen anspielte: Nun
könnten die Deutschen wenigstens keinen Blitzkrieg mehr führen. Guttenbergs
politischer Stil ist dagegen der fleischgewordene Blitzkrieg. Fast alle
wichtigen Entscheidungen in der CSU, als Wirtschafts- und als
Verteidigungsminister, hat er im Handstreich getroffen: Abgeordneter werden,
Bezirksvorsitz erobern, Opel mit Insolvenz drohen, die Bombardierungen vom 4. September
bewerten, Schneiderhan und Wiehert feuern, den 4. September
neu bewerten. Alles geht ruck, zuck, ohne lange Überlegung, aus dem Bauch
heraus und meistens zur Überraschung der Umstehenden. Von Hamburg also startet
er den nächsten Blitzkrieg.
Dass es auch dieses Mal ziemlich
schnell gehen wird, war nicht von Anfang an zu erwarten. Denn CDU und CSU scheinen
so gar nicht darauf eingerichtet, von ihrer über Jahrzehnte verteidigten
Haltung zur Wehrpflicht abzurücken. »Die Allgemeine Wehrpflicht bleibt von
zentraler Bedeutung für unsere nationale Sicherheitsvorsorge.« So steht es im
Grundsatzprogramm der CSU, der Partei Karl-Theodor zu Guttenbergs. Und weiter
sogar: »Angesichts der vielfältigen Gefahren für unsere Sicherheit und aus
Gründen der Gerechtigkeit gegenüber der jungen Generation strebt die CSU eine
Ausdehnung der Allgemeinen Wehrpflicht zu einer sicherheitspolitisch
begründeten Dienstpflicht für Männer, die den Dienst auch im Zivil- und
Katastrophenschutz ermöglicht, sowie eine bessere Anrechnung von
Freiwilligendiensten an.« Als Guttenberg Ende Oktober 2009 das Amt
des Verteidigungsministers übernimmt, gibt es keinerlei Hinweis, dass er
diesen Grundsatz in Frage stellt. Wie die überwältigende Mehrheit von CSU- und CDU-Politikern
behauptet er, ein Anhänger der Wehrpflicht zu sein.
Zunächst ist das ja auch noch gar
kein Thema für jenen Mann, der als Wirtschaftsminister in den Wahlkampf 2009 gegangen
ist. Für die Aushandlung des verteidigungspolitischen Teils der schwarz-gelben
Koalitionsvereinbarung ist er nicht zuständig. Das macht für die Union jener
Mann, der die letzten vier Jahre das Amt des Verteidigungsministers bekleidet
hat, der CDU-Politiker Franz Josef Jung. Er entstammt der konservativen
hessischen CDU. Hier muss gar nicht betont werden, dass die Wehrpflicht zum
Selbstverständnis gehört.
Aber Jung hat einen schweren
Auftrag in den Verhandlungen. Zu den Problemzonen der öffentlich so sehr
herbeigesehnten Koalition mit der FDP, die schon vorab bekannt sind, gehört
die Wehrpflicht. Denn ebenso wie die Union an ihr festhält, wollen die
Liberalen sie loswerden. Von Anfang an ist klar, dass nicht nur die längst auf
der Strecke gebliebene Wehrgerechtigkeit und die eingeschränkte Verwendbarkeit
der Wehrpflichtigen in einer Einsatzarmee, zu der die Bundeswehr geworden ist,
es der Union immer schwieriger machen, an ihrer Überzeugung festzuhalten.
Jetzt muss sie auch noch einen Kompromiss mit einem Koalitionspartner finden,
der angesichts eines sensationellen Wahlergebnisses von fast 15 Prozent vor
Kraft kaum gehen kann. Jung bekommt es in den Koalitionsverhandlungen mit der
Sicherheitspolitikerin Birgit Homburger zu tun, die
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