Lohse, Eckart
gründlich
darüber zu diskutieren. Horst Seehofer betont noch einmal, es handele sich bei
der Wehrpflicht um eine Identitätsfrage für seine Partei. Im CSU-Vorstand sagt
er, das Thema habe eine »noch größere Bedeutung als die Gesundheitsreform«.
Wenn man bedenkt, welches leidenschaftliche Verhältnis der einstige
Gesundheitsminister Helmut Kohls zu diesem Thema hat, ahnt man, wie ernst es
ihm ist. Aber ein krachendes »nur über meine Leiche« ist auch von ihm nicht zu
hören. Vielmehr wittert er Unruhe an der Basis. Doch seine Witterung täuscht
ihn böse. Während die Basis den Gedanken, sich von der Wehrpflicht zu verabschieden,
fast gleichgültig aufnimmt und kaum jemand dagegen aufbegehrt, empört sie sich
zugleich über das Vorhaben des Parteichefs, nicht nur die Mitgliederbeiträge um
einen Euro im Monat zu erhöhen, sondern auch noch eine Frauenquote bei
Vorstandswahlen einzuführen. Seehofer, der der CSU im Geburtsjahr Guttenbergs, 1971, beitrat,
kennt seine Partei nicht so gut wie der junge Mann, der so wenig von einem
Parteisoldaten hat.
Mitte August macht die in Bayern
beheimatete »Süddeutsche Zeitung« einen interessanten Feldversuch. Die
Journalisten fragen eine größere Zahl von CSU-Kommunalpolitikern zwischen
Bayreuth und Kempten nach ihrer Meinung zur Wehrpflicht. Nur einer der neun,
deren Stellungnahme abgedruckt wird, wendet sich gegen die Position
Guttenbergs. Die anderen sind einverstanden. Die meisten führen inhaltliche
Gründe an. Doch steckt noch mehr dahinter. Rita Maier, die 67 Jahre alte
Vorsitzende der Frauen-Union Unterschleißheim, sagt: »Ich bin da ganz der
Meinung unseres Verteidigungsministers. Was der macht, finde ich generell
gut.« Guttenberg hat nicht nur das geeignete Thema gefunden, um ein Beispiel
für seine Politik des klaren Kurses zu liefern. Es komme, so sagt Monate
später eine Ortsverbandsvorsitzende, die nicht genannt sein will, schlichtweg
darauf an, wer einen bestimmten Vorschlag macht. Sie lobt Guttenberg für die
Stringenz seines Kurses und ist ganz überrascht zu erfahren, dass er noch im
Frühjahr der FDP mit der Rückkehr zum neunmonatigen Dienst gedroht hat, sollte
diese die Verkürzung auf ein halbes Jahr als Einstieg in den Ausstieg aus der
Wehrpflicht missbrauchen wollen. An der CSU-Basis zeigt sich: Guttenberg kann
fast fordern, was er will - Hauptsache, er fordert
es.
Auch wenn der Aufstand von unten
ausbleibt, gibt es immer wieder ablehnende Stimmen. Sogar Seehofer weicht im
August von seiner selbstgesetzten Vorgabe ab, sich bis zum Herbst mit
öffentlichen Äußerungen zu dem Thema zurückzuhalten. Vor der Jungen Union, wo
etablierte Politiker gern zeigen, dass sie mit der Faust auf den Tisch hauen
können, rät er seiner Partei davon ab, die Wehrpflicht abzuschaffen. Wer sie
aber aussetze, schaffe sie ab, fügt er hinzu. Seehofer leidet in jenen Wochen
im Sommer 2010, je mehr er sieht, dass er
Guttenbergs Wende wohl oder übel nachvollziehen muss.
Am 21. August,
einem Freitag, übermittelt Guttenberg seine Vorschläge offiziell der
Bundeskanzlerin. Am Sonntag verkündet Angela Merkel im ZDF, was nur als
politischer Sieg ihres Ministers gewertet werden kann. Das ist schon deswegen
bemerkenswert, weil sowohl Merkels Fachleute im Kanzleramt als auch der
Finanzminister Zweifel haben, ob sich mit Guttenbergs Plänen die Sparvorhaben
für den Verteidigungshaushalt von 8,3 Milliarden
Euro bis zum Jahr 2014 erreichen lassen. Aber der
finanzpolitischen Argumentation hatte Guttenberg auf Drängen Merkels ja längst
den Rücken zugewandt. Die Kanzlerin wiederholt öffentlich, dass es bei der
Bundeswehrreform keine Denkverbote gebe und fügt an, das gelte auch für »ein
Neudenken der Rolle der Wehrpflicht«. Sie werde jede Entscheidung befördern,
die die Bundeswehr zukunftsfähig mache. Die Modelle Guttenbergs zeigten, dass
es gute Gründe gebe, »auch neu zu denken«. Aus dem Grundgesetz werde die
Wehrpflicht jedoch keinesfalls gestrichen.
Mit derartiger Prokura
ausgestattet, stellt Guttenberg einen Tag später auch den beiden
Koalitionsfraktionen seine Pläne offiziell vor. Er weiß, was Merkel hören will:
»Wir richten uns nach den sicherheitspolitischen Gegebenheiten aus. Es wird
keine Bundeswehr nach Kassenlage künftig geben, sondern eine, die die
sicherheitspolitischen und verteidigungspolitischen Herausforderungen
bewältigen kann.« Und weiter: »Bei der Frage der Wehrreform, der künftigen
Gestaltung der Wehrpflicht, ist es mir
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