Lohse, Eckart
afghanischen
Aufständischen spielen, Militärfahrzeuge fahren vor und zurück, es knallt ein
paarmal. Nur deswegen wirkt die Szene nicht lächerlich, weil sie das
nachstellt, was Soldaten des Eutiner Bataillons am 17. Februar 2010 tatsächlich
erlebten.
Guttenberg steigt von der Tribüne
herab, die zur Betrachtung des Spektakels aufgestellt worden war, und mischt
sich unter die Soldaten. Er berichtet von seinem Truppenbesuch in Afghanistan
am zurückliegenden Wochenende. Erstens tut er das grundsätzlich gern, um den
Soldaten zu zeigen, wie ernst er sie nimmt. Zweitens hatten die etwas
martialischen Bilder von seinem Abstecher an die vordere Kampflinie einige Tage
zuvor manchen spitzen Kommentar hervorgerufen. Gegen diese will er sich wehren.
Gern sagt er in diesen Tagen dann, es sei doch selbstverständlich, dass ein
Minister die Truppe besuche und nicht nur vom Schreibtisch in Berlin aus beobachte.
Der Verteidigungsminister nimmt
sich viel Zeit für das Gespräch mit den Soldaten. Wie die Kameradschaft in
Kundus sei, will er wissen. Die wenig überraschende Antwort: »Sehr gut.« Durch
den Wechsel eines Telefonanbieters habe man bessere Möglichkeiten für die
Soldaten geschaffen, mit der Heimat zu kommunizieren, teilt Guttenberg mit.
»Weil die Verbindung beschissen war«, fügt er wenig vornehm, aber gut
verständlich hinzu und legitimiert die direkte Ausdrucksweise postwendend:
»Das darf man mal sagen.« Darf man. Und wenn es der Minister sagt, wird
natürlich gelacht. Als das Gespräch ins Stocken kommt, ermuntert der
Kommandeur seine Leute zu Fragen: »Einmalige Chance«, sagt er. Und bekommt
prompt vom Minister einen kleinen Seitenhieb ab: »Einmalig nicht. Etwas länger
als einige Wochen plane ich schon noch, im Amt zu bleiben.«
Guttenberg hält seine Methode zur
Sympathiegewinnung durch und wendet sie in unterschiedlichsten Situationen kon sequent
an. Er, der Bundesminister, der mediale Superstar, stellt sich immer auf die
Seite der Kleineren und Schwächeren und leistet sich von dort aus Spott gegen
den Rest der Führung. Der Kommandeur bekommt in Gegenwart der Soldaten eins
ab; an der Parteibasis spricht er schlecht über den politischen Betrieb in
Berlin, und vor den Offizieren der Führungsakademie rügt er die
Bundesregierung. Das soll eine augenzwinkernde Solidarität schaffen nach dem
Motto: Ich kenne eure Sorgen und stehe euch bei.
Das will Guttenberg anschließend
auch einer Runde von vielleicht hundert Vertrauensleuten, Kompaniechefs und anderen
Verantwortungsträgern des Bataillons klarmachen. Die Presse ist nicht zu der
Veranstaltung zugelassen. Weniger, um den Minister zu schützen. Vielmehr sollen
die Soldaten so die Möglichkeit bekommen, ungeschminkt zu fragen oder gar
Kritik zu üben. Aber Soldaten neigen nicht zum Aufstand, schon gar nicht gegen
den Minister. Nicht jeder ist ein kleiner Stauffenberg. Sie sind gewohnt,
Hierarchien zu akzeptieren. Die Fragen, die auf seinen frei und schwungvoll
gehaltenen Vortrag folgen, kann Guttenberg leicht beantworten. Die Soldaten
werden beim Umbau der Bundeswehr nicht das Problem sein.
Ungewissheiten gibt es da eher
noch in seiner eigenen Partei. Während der Minister hoch im Norden
Deutschlands auf Truppenbesuch ist, äußert der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe
im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, in einem Hintergrundgespräch mit
Journalisten die Auffassung, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sei in der
Wehrpflichtdebatte im Grunde schon auf den Kurs Guttenbergs eingeschwenkt. Wie
es manchmal so ist, gelangen die Äußerungen vom Hintergrund in den Vordergrund
und werden von einer Nachrichtenagentur in Umlauf gesetzt. Das kann Guttenberg
nicht gefallen. Friedrich unterstützt den Minister offensiv in seinen
Reformbemühungen. Und was er sagt, ist das, was Guttenberg hofft. Doch ist es
nicht gut, dem selbstbewussten Parteivorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten
den Eindruck zu vermitteln, man halte seinen Widerstand gegen eine Abschaffung
der Wehrpflicht schon für gebrochen. Denn selbst wenn das so sein sollte, muss
Horst Seehofer doch vor seiner Partei den Eindruck erwecken, dass er die
Kehrtwende der ungestümen Zukunftshoffnung aus Oberfranken nicht einfach
nachvollziehe.
Das also treibt Guttenberg um, als
er Eutin am Nachmittag wieder verlässt und der Hubschrauber Richtung Berlin
startet. Lange bearbeitet er sein Mobiltelefon, um die durch Friedrichs
Äußerung entstandene Unruhe unter Kontrolle zu bekommen. Man merkt ihm
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