Lohse, Eckart
Unzufriedenheit mit der real
existierenden Demokratie« an und spiele »mit dem Bedürfnis nach einem
aristokratischen Führungsstil«. Grund genug für die Politikerin der Linken,
alle Adelszusätze in Namen auch in Deutschland verbannen zu wollen.
In der Politik hat der Adel in
Deutschland keine herausgehobene Stellung mehr. Die deutschen Spitzenpolitiker
haben sich oft aus kleinen Verhältnissen hochgearbeitet und weisen mit Stolz
darauf hin. Hatten Politiker mit adliger Familiengeschichte ein Spitzenamt
inne, so hat das, etwa beim langjährigen Ersten Bürgermeister von Hamburg, Ole
von Beust, in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle gespielt. Auch bei
einem seiner Vorgänger, Klaus von Dohnanyi, ist das nicht der Fall gewesen.
Manche Politiker verzichten auf
die öffentliche Nennung der Teile ihres Namens, die auf die adlige Abstammung
verweisen, etwa der FDP-Politiker Hermann Otto Solms, der eigentlich Hermann
Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich heißt. Andere, wie die Mitbegründerin der
Grünen, Jutta Ditfurth, legten das »von« im Namen ab, weil sie gegen alles Elitäre
waren. Das ist für die auf ihre Herkunft bedachten Familien aus dem Adel eine
Provokation. Denn der Name ist das wichtigste Signum ihrer Adligkeit. Der
Namenszusatz »von« stand historisch für den Ort, von dem der Adlige stammte,
das »zu« zeigte den aktuellen Wohnsitz an.
Für das Familienbewusstsein
spielen auch die Vornamen eine wichtige Rolle; auch hier geht es nicht um
individuelle Vorlieben, sondern um die Bewahrung von Tradition. Schon die
Vornamen, die der spätere Bundesminister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann
Jacob Philipp Franz Sylvester Joseph Freiherr von und zu Guttenberg erhält,
zeugen von dieser Auffassung von Familie. Was zunächst wie eine willkürliche
Aneinanderreihung unterschiedlicher Namen erscheint, erschließt sich leicht, wenn
man die dahinter stehende Familiengeschichte kennt. Neben den beiden
Großvätern, Karl Theodor und Johann Jakob, finden sich dort der Großonkel Philipp
Franz sowie die Patenonkel Sylvester und Joseph. »Maria« steht für die
besondere Verehrung der Gottesmutter, wie sie bei Katholiken, zu denen die
Guttenbergs gehören, Tradition ist - den Namen der seligen Jungfrau trägt auch
Karl-Theodors Vater, und viele Guttenbergs taten es vor ihm. Allein »Nikolaus«
ist, wie Guttenberg selbst sagt, »leicht gemogelt«. Es ist eine Verneigung vor
dem Namenspatron des 6. Dezember;
eigentlich war die Geburt von Karl-Theodor für diesen Tag erwartet worden, der
Junge stellte sich aber schon am 5. Dezember
ein. Namen sind auch in diesem Fall mehr als nur Schall und Rauch. Sie dienen
dazu, die familiäre Kette kenntlich zu machen.
Die Familie dient als Identität
stiftende Gemeinschaft nicht nur, um sich als gesellschaftliche Minderheit von
der Mehrheit abzugrenzen, sondern auch dazu, ein Beziehungsgeflecht zu
schaffen, das der gegenseitigen Unterstützung, Hilfe und dem Schutz dient, das
Karrieren befördern und Rückschläge abfedern kann. Dass der Onkel dem Neffen
rät, sich beim Vetter in Dingsda zu melden, um dieses oder jenes zu erreichen,
wird es auch in anderen Familien geben. Doch je weiter das Netz gespannt ist
und je enger es durch gemeinsame Werthaltungen, Lebensstile und soziale Codes
geflochten ist, desto mehr Bedeutung kommt ihm zu. Gerade für eine Gruppe, die
ihren Sonderstatus verloren hat, ist dieser informelle Zusammenhalt wichtig,
um sich gesellschaftlichen Einfluss zu bewahren.
Tatsächlich hat der Adel den
Anspruch, Elite zu sein, nicht aufgegeben. Doch wie lässt sich dieser Anspruch,
von Geburt an etwas Besonderes zu sein, mit einer bürgerlichen Gesellschaft in
Einklang bringen, die einen solchen Eliteanspruch nicht anerkennt? Der Adel hat
dafür das bürgerliche Ideal von Leistung zumindest teilweise in das eigene
Selbstbewusstsein integriert. Der Anspruch, Elite zu sein, muss durch Leistung
gerechtfertigt und immer wieder erworben werden. Karl-Theodor zu Guttenbergs
Großvater hat das bei seiner Rede zur Hochzeit seines Sohnes Enoch so
formuliert: »Elite nämlich - und das soll doch Adel sein - ist nie, wer sich
absondert; oder gar, wer das Anderssein mit Bessersein verwechselt. Elite ist
nur, wer sich im Heute und unter den Heutigen als solche ausweist und sich
bewährt durch das, was er ist und durch das, was er tut. Einen alten Namen zu
tragen ist also nichts weiter als ein Auftrag. Eine Last, kein Privileg. Ein
Inhalt, keine Hülle, ein Müssen und
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