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Lohse, Eckart

Lohse, Eckart

Titel: Lohse, Eckart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guttenberg Biographie
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angesichts dessen eigener dramatischer Lebenssituation: Karl Theodor
zu Guttenberg, der Schlossherr, ist zu dieser Zeit schwer erkrankt und auf den
Rollstuhl angewiesen. Schon seit einigen Jahren leidet er an Muskelzuckungen,
die sich zunächst in den Beinen und Armen bemerkbar machten, dann folgten
Gehbeschwerden. Eine ernsthafte Nervenerkrankung wird festgestellt, doch wie
ernst sie ist, wollen oder können die behandelnden Mediziner zunächst nicht
sagen. Im Sommer 1969 kommt es endlich zu einer
eingehenden Untersuchung in der berühmten Mayo-Klinik in den Vereinigten
Staaten. Ein Arzt schenkt dem CSU-Politiker - er ist damals Parlamentarischer
Staatssekretär im Bonner Bundeskanzleramt - auf dessen Bitte reinen Wein ein:
Die Krankheit, amyotrophe Lateralsklerose, ist nicht heilbar, sie wird
fortschreiten und zu weiteren Lähmungen selbst lebenswichtiger Muskeln,
vornehmlich der Lunge, führen. »Noch zweieinhalb Jahre, vielleicht auch ein
wenig länger«, antwortet der Arzt auf die Frage Guttenbergs, wie lange er noch
zu leben habe. Schweigend starren der von der Nachrieht getroffene Patriarch
und seine Frau aus dem Fenster, als der Arzt gegangen ist. Sie wissen, ihre Ehe
wird bald zu Ende gehen. Dann überkommt Guttenberg für einen Moment ein
Weinkrampf. In den ihm verbleibenden Monaten trägt er sein Los mit Disziplin
und dem Geist der Pflichterfüllung, wie er in der Familie gepflegt wird.
    Im Bundestag hält Karl Theodor zu
Guttenberg am 27. Mai 1970 seine
letzte Rede. Es geht noch einmal um die Deutschland-Politik, um die Freiheit
aller Deutschen, auch derer in der DDR - das Lebensthema des konservativen
Unions-Mannes. Noch einmal warnt er davor, sich Illusionen zu machen über die
Haltung Ost-Berlins und Moskaus. Guttenberg kann nur noch schwer gehen, weil
die Krankheit die Nervenzellen zerstört und die Muskeln lähmt. Er weiß, dass
ihm nach den Sommerferien Stimme und Beine den Dienst versagen werden.
Deswegen muss die Rede jetzt sein. Die Ärzte haben ihm erlaubt, 20 Minuten zu
sprechen. Guttenberg braucht 40. Er bringt
die Rede nur mit Mühe zustande. Das Protokoll vermerkt den Zwischenruf des
Oppositionsführers Rainer Barzel von der CDU in Richtung des SPD-Kanzlers Willy
Brandt: »Hier spricht ein Mann mit letzter Kraft, und der Bundeskanzler lacht
darüber.«
    Als Guttenberg die Rede beendet
hat und vom Podium abtritt, stützen ihn Barzel und der CSU-Vorsitzende Franz
Josef Strauß. Im Herbst macht ihn die CSU im Landkreis Forchheim zu ihrem
Ehrenvorsitzenden. Die Parteifreunde überreichen eine Urkunde, in der viel
Lobendes über ihn steht. Am meisten aber freut den scheidenden Politiker, dass
sie geschrieben haben: »Unserem Baron ...«
    Sein politisches Wirken sollte
damit abgeschlossen sein. Doch Pflichtbesessenheit treibt den todkranken Mann
noch einmal in die politische Arena. Als am 17. Mai 1972 der Bundestag
über die Ostverträge abstimmt, lässt sich Guttenberg ein letztes Mal in den
Plenarsaal des Parlaments bringen, mit dem Rollstuhl zur Wahlurne fahren. Lange
hat Guttenberg gegen diese Verträge gekämpft, jetzt will er nicht fehlen,
selbst wenn er weiß, dass dieser politische Kampf für ihn verloren ist.
    Der »Baron«, der so für die
Politik lebte und der deshalb selten zu Hause bei der Familie war, ist bald ans
Bett gefesselt. Sein Glaube hilft ihm, dem bevorstehenden Ende mit Gelassenheit
zu begegnen. Ein Franziskanermönch, der oft im Schloss zu Gast bei ihm ist,
steht zur Seite. Die letzten fünf Monate verbringt der Schlossherr zu Hause.
Bei geistiger Klarheit und wachem Interesse am politischen Geschehen kann er
sich fast nur noch durch Handzeichen verständlich machen. Fast auf den Tag zehn
Monate nach der Geburt seines Enkelsohns stirbt der Patriarch am 4. Oktober 1972 im Alter
von nur 51 Jahren auf Schloss Guttenberg.
    Zur Trauerfeier und Beisetzung
reisen zahlreiche Spitzenpolitiker der Bundesrepublik an, nicht nur die von
CSU und CDU. Rainer Barzel, damals Kanzlerkandidat der Union, ist gerade in der
heißen Phase des Wahlkampfs unterwegs, im November wird der Bundestag gewählt.
Er wird mit dem Hubschrauber eingeflogen. Über den Tag der Trauerfeier schreibt
Elisabeth zu Guttenberg, die Mutter des Verstorbenen, in ihren Erinnerungen:
    »Der große Schlosshof füllt sich
mit zahllosen Kränzen. Am Tag der Beisetzung kann er die vielen Trauernden
nicht fassen. Über zehntausend waren gekommen, um Abschied zu nehmen. Bambergs
Erzbischof zelebrierte. Reden am Sarg, der im

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