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Lohse, Eckart

Lohse, Eckart

Titel: Lohse, Eckart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guttenberg Biographie
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Bundestag hält er am 5. November 1959 zum
Deutschland-Plan der SPD. Nach dem Willen der Sozialdemokraten soll zuerst eine
entmilitarisierte Zone in Mitteleuropa geschaffen, in ihr soll dann die
Vereinigung Deutschlands vorangetrieben werden. Guttenberg, entschiedener
Antikommunist und ebensolcher Anhänger einer West-Bindung, vor allem an
Frankreich und dann an Amerika, lässt an dem Plan kein gutes Haar. Die Rede,
die er wochenlang vorbereitet hat, erweckt großes Aufsehen, so stark und auch
so polemisch ist sie. »Was Sie an Ulbricht stört«, ruft er der SPD zu, »das ist
der Terror und damit die Methode, nicht die Sache. Deutschlands Freiheit, so
wie Sie sie wünschen, das ist die Zone ohne Ulbricht, das ist die Bundesrepublik
mit den sozialistischen Errungenschaften.« Es kommt zu tumultartigen Szenen,
die Zwischenrufe aus den Reihen der Sozialdemokraten reichen von »Schafskopf!«
bis »Unerhörter Scharfmacher!«. Herbert Wehner, der Großinquisitor der SPD,
ruft mehrmals während der Rede: »Der Baron lügt!« Und Helmut Schmidt, der nach
ihm spricht, beklagt, dass die Deutschen niemals eine Revolution zustande
gebracht hätten, »die dieser Art von Großgrundbesitzern die materielle
Grundlage entzogen hätte«. Für die links stehende »Frankfurter Rundschau« ist
Guttenberg denn auch der »Erzstratege des Kalten Krieges«. Doch der »Baron« aus
Franken, dem die Kritik mehr zusetzt, als er nach außen zugeben mag, gilt seit
diesem Auftritt nicht nur als guter Redner; er wird auch von einem
Hinterbänkler zu einem der führenden Männer der CSU.
    Trotz allen Streits ist Karl
Theodor zu Guttenberg auch bei Abgeordneten des politischen Gegners bald
anerkannt. Er ist kein Parteisoldat, vielmehr ein unabhängiger Kopf. Wenn es
darum geht, gegen wen er kämpft oder mit wem er zusammenarbeitet, entscheidet
er nicht nur nach Parteibuch, sondern auch nach sachlichen, moralischen und
menschlichen Kriterien. Mit dem autoritären und aufbrausenden CSU-Chef Franz
Josef Strauß legt er sich mehrfach und in durchaus rauhem Ton an. Dem
knorrigen und nicht minder schwierigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner
bringt er später - nach gemeinsamen Abendessen in Wehners bescheidener Wohnung
in Bonn - Zuneigung entgegen, ja Guttenberg selbst empfindet ihr Verhältnis als
eine persönliche Freundschaft. Wehner kommt auf Schloss Guttenberg zu Besuch,
wie auch später Strauß oder Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Für die Kinder
gilt dann ein Sprechverbot, aber beim Essen dürfen sie, zur Überraschung der
Gäste, oft dabei sein. Herbert Wehner fragte, ob das denn richtig sei, dass die
Kinder zuhören, erinnert sich Enoch zu Guttenberg. »Auf die kann ich mich mehr
verlassen als auf meine Parteifreunde«, antwortete Karl Theodor der Ältere.
    Gerade die freundschaftliche
Verbindung, die Guttenberg zu Herbert Wehner aufbaut, mag erstaunen. Obwohl er,
wie er selbst sagt, mit allen Vorurteilen ausgestattet war, die ein Unionsmann
aus der Provinz gegenüber dem ehemaligen Kommunisten haben konnte, erkennt er
in dem Sozialdemokraten einen, der für die Freiheit brennt und deshalb gegen
den Kommunismus ist. Wehner ist es wohl, weil er den Stalinismus in Moskau
1937 von seiner schrecklichsten Seite kennengelernt und, wie wir heute wissen,
sich selbst in Stalins massenmörderischen Säuberungen schuldhaft verstrickt
hatte. Guttenberg ist es, weil er sich nie Illusionen über diesen Kommunismus
gemacht hat und deswegen den Feinden der Freiheit nicht nachgeben will. Es gibt
später einen Wutausbruch Wehners, der die Beziehung belastet. Guttenberg
leidet darunter. Wehner soll ihn aber noch am Totenbett besucht haben.
    Das gute Verhältnis zu Wehner, der
den Deutschland-Plan der SPD 1960 selbst auf
den Müllhaufen der sozialdemokratischen Parteigeschichte wirft, wird auch
politisch wirksam: Im Herbst 1962, als die
FDP-Minister im Zuge der »Spiegel«-Affäre zurücktreten, versucht Guttenberg,
gemeinsam mit Wehner eine große Koalition von Union und SPD einzufädeln. Im
Auftrag Konrad Adenauers - und mit einem ihn bevollmächtigenden Brief des
Bundeskanzlers versehen - geht er zu Wehner. Ziel einer großen Koalition wäre
es unter anderem, ein Mehrheitswahlrecht einzuführen und damit, so sehen es Union
und SPD, die politische Stabilität der Bundesrepublik langfristig zu
garantieren. Doch der Plan, ein solches Bündnis zu schmieden, misslingt. Die
SPD schreckt zurück, weil  
    Der »Baron« stellt eine
Zwischenfrage: Karl Theodor

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