Lohse, Eckart
zu Guttenberg im Bundestag in Bonn am 3. Februar
1971. Links neben ihm der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß
die CDU nicht über einen Verzicht
Adenauers auf die Kanzlerschaft reden will; Adenauer verliert das Vertrauen in
die ganze Sache, so erinnert sich Karl Theodor zu Guttenberg, weil sie früh an
die Öffentlichkeit gerät.
Zu guter Letzt ist seine eigene
Parteiführung sauer auf Guttenberg: Da er die Gespräche mit Wehner geführt
hat, ohne den Parteivorsitzenden Strauß einzuweihen, strengt die CSU ein
internes Schiedsverfahren gegen ihn an, das mit einem Parteiausschluss enden
kann. Als der Landesvorstand versammelt ist, weigert sich Guttenberg, Abbitte
zu leisten; er will nicht sagen, was nicht wahr ist, nämlich, dass er sein Vorgehen
bedauere. Das wird ihm als Sturheit ausgelegt. Nur drei von 50 Mitgliedern des
Landesvorstands der CSU stimmen gegen das Verfahren, an dessen Ende ein
offizieller Tadel steht. Damals, so erinnert sich sein Sohn Enoch zu
Guttenberg, sei der junge Abgeordnete Helmut Kohl auf das Schloss gekommen.
Kohl habe dem CSU-Politiker für den Fall eines Partei ausschlusses
seinen Wahlkreis in Aussicht gestellt, da er einen sicheren Listenplatz habe.
»Wenn Sie hier rausfliegen, dann kandidieren Sie in meinem Wahlkreis«, hat er
gesagt.
Guttenberg hat das Verfahren gegen
ihn nur schwer verkraftet. Dass sein eigenes Verhalten durchaus als illoyal gegenüber
seiner Partei und deren Führung bewertet werden konnte, scheint er nicht
eingesehen zu haben. Sein Groll zeigt sich ein Jahr später, als er sich auf dem
CSU-Parteitag offen gegen die Wiederwahl von Franz Josef Strauß als
Parteivorsitzenden ausspricht. Als der gewählt wird, sichert Guttenberg ihm
allerdings volle Loyalität zu; später haben sich beide sogar in einem Gespräch
ausgesöhnt. An einen Rücktritt hat Guttenberg trotz seiner Kränkung anscheinend
nicht gedacht - zumindest hat er, anders als später sein Enkel, nicht damit
gedroht.
Gut vier Jahre später, im Winter 1966/67, nutzt
Guttenberg seine Kontakte zu Wehner und zu anderen führenden SPD-Politikern, um
als Mittler die erste große Koalition mit zu realisieren. Zwar bringt ihm die
Koalition im April 1967 nur den
Posten eines Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt unter Kurt
Georg Kiesinger ein. Aber Guttenberg ist wichtig für den Zusammenhalt der
Koalition, gerade durch sein gutes Verhältnis zu Herbert Wehner; denn zwischen
Kanzler Kiesinger, dem ehemaligen NSDAP-Mitglied, und Willy Brandt, dem
ehemaligen Hitler-Gegner und Emigranten, »funktionierte die Chemie nicht«, wie
sich Egon Bahr, damals mit Brandt im Außenministerium, erinnert.Die
große Koalition war aber, so Bahr, auch eine Koalition der Versöhnung. Franz
Josef Strauß schrieb Ähnliches in seiner Autobiographie: »Für den fränkischen
Reichsfreiherrn lag in den Sonderkontakten zum Altkommunisten Wehner auch ein
Stück Emotion, sozusagen die Versöhnung zwischen rechts und links.«
In der zweiten großen Koalition
der Bundesrepublik, jener von 2005 bis 2009, wird Karl
Theodors des Älteren Enkel dann Minister werden. Doch in der CSU hat jener es
mit seinem Aufstieg bedeutend leichter als sein Großvater, gegen dessen
Ernennung zahlreiche »Parteifreunde« bei Kiesinger zu intrigieren suchen. Für
lange ist Guttenberg sein Vertrauensposten im Kanzleramt nicht vergönnt,
gerade einmal zweieinhalb Jahre. SPD und FDP bilden nach der Bundestagswahl im
Herbst 1969 eine Koalition und wählen Willy Brandt zum Bundeskanzler.
Die Ostpolitik der SPD bekämpft
Guttenberg weiter vehement. Die Erklärung der Bundesregierung vom Oktober
1969, in der von der DDR als zweitem deutschen Staat die Rede ist, bezeichnet
er als »dunkle Stunde« seiner politischen Laufbahn. Die DDR staatsrechtlich
anzuerkennen, betrachtet er als Sündenfall der Bundesrepublik; den
Grundlagenvertrag lehnt er - anders als die meisten Abgeordneten der CDU und
CSU, die sich der Stimme enthalten und damit die Ratifizierung möglich machen
- konsequent ab.
In der Zeit seines größten
politischen Einflusses, den sechziger Jahren, ist Guttenberg für viele eine
lebende Provokation. Katholisch, adlig, Großgrundbesitzer, Millionär, Antikommunist
und Konservativer - ein nahezu perfektes Feindbild für die politische Linke.
Auch seine Schwiegertochter Christiane hat sich oft mit ihm gestritten. »Meine
Meinung war viel mehr links als die meines Schwiegervaters«, sagt sie. Aber es
habe Spaß gemacht, mit ihm zu streiten.
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