Lohse, Eckart
wahrscheinlich das Leben gerettet.
Am 20. Juli 1944 sitzt Karl
Theodor zu Guttenberg im Zug, der ihn nach einem Heimaturlaub zurück an die
Westfront bringen soll. Er denkt daran, was der Krieg der Familie an Unglück
gebracht hat. Der um ein Jahr ältere Bruder Philipp Franz ist im Jahr zuvor bei
Leningrad gefallen, die Kugel eines Scharfschützen hat ihn, den zukünftigen
Schlossherrn in Guttenberg, in die Stirn getroffen. Der Vater Georg Enoch ist
schon 1940 in Würzburg gestorben. Er war
leicht verletzt worden, als eine britische Fliegerbombe in Bremerhaven das
Luxusschiff »Europa« getroffen hatte, das er kommandierte. Ob er an den
Spätfolgen dieser Verletzung oder an deren unsachgemäßer Behandlung starb, ist
ungewiss geblieben. Guttenberg hat inzwischen, am 6. Juli 1943, geheiratet:
Rosa Sophie von Arenberg. Die 21 Jahre alte
frisch vermählte Frau zu Guttenberg, 1922 auf
Schloss Pesch in Meerbusch geboren, gehört einer zum ehemaligen deutschen
Hochadel zählenden herzoglichen Familie an. Sie hatte, so erzählt sie, als sie
ihrem zukünftigen Mann das erste Mal begegnete, ihn nur von hinten gesehen und
sich sogleich in seinen Rücken verliebt.
Ihr Vater, Robert-Prosper Prinz
und Herzog von Arenberg, geboren 1895, soll 1943 für die
»Abwehr«, den nationalsozialistischen Geheimdienst, im Vatikan die Kurie und
insbesondere Papst Pius XII. ausspionieren, doch kommt es nicht zu seinem
Einsatz, weil der damalige Vatikan-Botschafter Ernst von Weizsäcker, der Vater
des späteren Bundespräsidenten, ihn verhindert haben soll. Arenberg war auch
in Wien für die Abwehr eingesetzt. Sein Chef dort war das Mitglied des
Widerstands, Rudolf Graf von Marogna-Redwitz, Nachfahre einer katholischen
fränkischen Adelsfamilie; er half ehemaligen österreichischen Offizieren, die
auf den Fahndungslisten der Gestapo standen, und versuchte auch, Juden vor
Gestapo und SS zu schützen. Marogna-Redwitz gehörte zum engen Kreis der
Verschwörer um Claus von Stauffenberg; er wurde am 12. Oktober 1944 vom
Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee gehängt.
Arenberg war in die Pläne der
Widerstandsgruppe um den 20. Juli 1944 eingeweiht,
Marogna-Redwitz soll ihn gedeckt haben, so dass er nicht verhaftet wurde.
Robert-Prosper von Arenberg ist in seinem späteren Leben nur schwer damit fertig
geworden, dass er überlebt hat. »Er hat das für eine Schuld gehalten«, sagt
sein Enkelsohn Enoch zu Guttenberg. »Er war sehr vornehm, ein tiefgläubiger
Mann, für uns Kinder eine prägende Figur«, so hat ihn der Enkel in Erinnerung. 1972 ist
Arenberg in München gestorben.
Doch zurück zu Robert von
Arenbergs Schwiegersohn, Karl Theodor dem Älteren, und dem 20. Juli 1944. Gerade hat
er während eines Heimaturlaubs seine junge Frau und die vor kurzem geborene
Tochter Elisabeth besucht. Nun, im Zug, erfährt er, dass es ein Attentat auf
Adolf Hitler gegeben hat. »Und? Sagen Sie doch, er ist tot?«, fragt er
aufspringend. So erfährt er, dass das Wirken seines Onkels Karl Ludwig und von
dessen Mitverschwörern umsonst gewesen ist. Alle, die er damals bei seinem
Besuch in Berlin im Umkreis seines Onkels kennengelernt hatte, sind kurze Zeit
später hingerichtet worden.
Im Oktober 1944 gerät Karl
Theodor zu Guttenberg in britische Gefangenschaft. In den folgenden Monaten
ist er als Nazi-Gegner bei der BBC und dann für den Soldatensender Calais
tätig, ruft die deutschen Soldaten dazu auf, den sinnlosen Kampf für das
Hitler-Regime einzustellen - etwas, was ihm im Nachkriegsdeutschland von
manchem Nationalkonservativen verübelt wird. Er tut es aus Überzeugung, auch
wenn ihn die Mitwirkung vieler Kommunisten im Kampf gegen den
Nationalsozialismus stört. Am 20. Oktober 1945 kehrt er
nach Hause zurück. Sein Vater und sein Bruder sind im Krieg geblieben, und sein
Onkel Karl Ludwig zu Guttenberg ist ein halbes Jahr zuvor hingerichtet worden.
Mit dem Leben
gezahlt: Karl Ludwig zu Guttenberg
Auf Menschen zuzugehen, sie im
Gespräch für sich einzunehmen und unterschiedliche Charaktere
zusammenzubringen, sie zu vernetzen - diese Stärken sind Karl Ludwig zu Guttenberg
immer wieder bescheinigt worden.
»Es war seine Begabung, ein Leben
aus Beziehungen aufzubauen«, hat seine Tochter über ihn geschrieben. Diese
Begabung hat auch seine Rolle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
bestimmt. Der Urgroßonkel von Karl-Theodor zu Guttenberg wird 1902 in
Würzburg geboren, er ist das jüngste von vier Kindern, ein
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