Lohse, Eckart
Vorbilder sind nie perfekt, aber
trotzdem können sie als Vorbilder dienen, will Guttenberg sagen. Er drückt es
freilich etwas guttenbergischer aus: »Es wäre ein Zeugnis besonderer Armut,
wenn der moralisierende Maßstab des Übermenschlichen - angelegt von allzu
menschlichen Vertretern - das Land seiner Vorbilder berauben würde.«
Guttenbergs Beitrag ist ein
Plädoyer in eigener Sache. Nicht zufällig erscheint er zwei Tage vor der
deutschen Kino-Premiere von »Operation Walküre«, dem amerikanischen Film über
den Hitler-Attentäter Stauffenberg, in dem der Hollywood-Star Tom Cruise die
Hauptrolle spielt. Dem Film ist in Deutschland eine heftige Kontroverse
vorausgegangen, da Tom Cruise prominentes Mitglied der umstrittenen Scientology-Sekte
ist. Die Frage drehte sich darum, ob ein bekennender Scientologe die Rolle
Stauffenbergs spielen dürfe. Die einen lehnen das aus moralischen Gründen ab,
die anderen sind der Ansicht, es gehe allein um die schauspielerische Leistung
von Tom Cruise; seine Popularität könne zudem helfen, den 20. Juli 1944 in Amerika
und darüber hinaus stärker als bisher ins öffentliche Bewusstsein zu heben.
Guttenberg verteidigt von Anfang
an das Recht des ame rikanischen Schauspielers, diese
Rolle zu spielen. Mit Tom Cruise und seiner Frau Katie Holmes, ebenfalls ein
weltbekannter amerikanischer Filmstar, ist das Ehepaar Guttenberg nach eigenen
Angaben befreundet, die Schauspieler waren bei den Guttenbergs schon zu Gast.
Die Bekanntschaft, so hat es Stephanie zu Guttenberg erzählt, ist über Florian
Henckel von Donnersmarck zustande gekommen.
Guttenberg besucht im Herbst 2007 mehrfach
die Dreharbeiten zu »Operation Walküre« und spricht mit Tom Cruise. »Im Hof
stehen Mannschaftswagen, Offiziere in längst verdrängten Uniformen, ein
Erschießungskommando, von den Wänden dröhnt der Widerhall schneidender Befehle
und schwerer Stiefel. 1944 erscheint
quälend real«, so beschreibt er recht pathetisch in der »Süddeutschen Zeitung«
seine Eindrücke von den Dreharbeiten im Berliner Bendlerblock. Über Tom Cruise
schreibt Guttenberg: »Mehrere sehr persönliche - auch kritische - Gespräche in
den letzten Tagen offenbaren eine Ernsthaftigkeit, die nicht nur ein
bemerkenswertes Drehbuch zu reflektieren vermag.« Guttenberg ist sich sicher,
dass »ein großer Film im Entstehen begriffen ist«.
Mit seiner klaren Parteinahme für
den amerikanischen Schauspieler stellt sich Guttenberg zugleich gegen einen
Teil seiner eigenen Verwandtschaft, die direkt von dem Thema betroffen ist, da
es sich um enge Angehörige des Attentäters handelt.
Diese Verbindung zu den
Stauffenbergs spielt für das Image der Guttenbergs eine große Rolle.
Tatsächlich steht kein anderer Name so symbolhaft für den Widerstand gegen
Hitler wie der Name des Attentäters vom 20. Juli 1944. Claus
Schenk Graf von Stauffenberg, selbst durch seine Kriegsverletzungen schwer
behindert, hatte an diesem Tag im Führerhauptquartier Wolfsschanze in
Ostpreußen den Attentatsversuch ausgeführt, die Bombe, die er in einer
Aktentasche mitbrachte, unter den Tisch in der Nähe Hitlers abgestellt. Doch
das Attentat misslang. Stauffenberg wurde nach seiner Rückkehr in Berlin in
der Bendlerstraße verhaftet und im Hof noch in der Nacht erschossen, zusammen
mit seinem Adjutanten und weiteren Verschwörern.
Die Guttenbergs und die
Stauffenbergs sind also ideell durch den Widerstand gegen Hitler verbunden.
Ihre Beziehungen reichen allerdings weiter zurück. Beide Familien gehören zum
süddeutschen katholischen Adel, die Stauffenbergs im bayerischen Schwaben, die
Guttenbergs in Oberfranken. Die Familien sind sich schon vor der Zeit des
Nationalsozialismus durch die Lebenswelten ihrer Mitglieder und gemeinsame Überzeugungen
nahe. Man kennt sich, pflegt Beziehungen, verkehrt in denselben Kreisen.
Solche Verbindungen, wie es sie zwischen vielen Adelsfamilien gab, begannen oft
schon in der Kindheit: So besaßen die Stauffenbergs vor dem Zweiten Weltkrieg
ein Haus in der Nachbarschaft des Guttenberg'schen Stadthauses in Würzburg, man
besuchte sich, die Kinder spielten miteinander.
Vor allem sind die Familien durch
Heiraten untereinander verbunden. Die Guttenbergs sind bis vor wenigen Jahrzehnten,
wie viele andere bayerische Adlige auch, ausschließlich adlige Ehen eingegangen
- unter anderen mit den Stauffenbergs. So heiratet des heutigen Ministers
Urgroßtante Elisabeth (1891-1946), die Schwester
seines Urgroßvaters Georg Enoch,
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