Lohse, Eckart
Zwar sieht der Vater, dass der Junge begabt ist, aber er will nicht,
dass der einzige Sohn ein Künstler wird. Dabei wirkt er unbewusst auch am
Berufswunsch des Sohnes mit. Denn Karl Theodor zu Guttenberg ist ein großer
Verehrer von Johann Sebastian Bach. »Er war krank von Bach«, sagt Enoch zu
Guttenberg. »Er hat selten zu Menschen aufgeschaut, außer zum alten Adenauer
und noch mehr zu Bach. Und ich wollte als Kind natürlich sein wie der Vater -
und vor allem wie Bach, vor dem mein Vater in Respekt und Liebe auf den Knien
lag. Die Hybris dieses Wunsches wurde mir erst als Student klar.«
In seinen Studienjahren, es war
wohl 1967, verschlägt es Enoch zu Guttenberg
nach Neubeuern, einem Voralpenort in der Nähe von Rosenheim. Verschlagen ist
wohl das falsche Wort, eine »unheimlich schöne Frau« spielt eine Rolle, die auf
dem Internat und Privatgymnasium Schloss Neubeuern dem Abitur zustrebt. Enoch
zu Guttenberg legt sich jedenfalls eine Jagdhütte in dem Ort zu, natürlich nur,
um in Ruhe Klavier zu spielen und zu komponieren. Damals hat die 1907 gegründete
Liedertafel des 3000 -Seelen-Ortes wieder mal keinen
Chorleiter. Und so fragen Pfarrer und Bürgermeister den langhaarigen
Musikstudenten, ob er nicht aushelfen könne, den Chor von 25 Stimmen zu
dirigieren. Der sagt zu. Bald darauf kommt der schon betagte Bernhard
Paumgartner, Präsident des Direktoriums der Salzburger Festspiele, nach Neubeuern.
Er hört eine Aufführung des Chores unter der Leitung des Musikstudenten. Nach
dem Konzert sagt er ihm: »Junger Mann, die Leute können nicht singen, Sie
können nicht dirigieren. Aber zwischen ihnen funktioniert es. Machen Sie was
draus!«
Und der junge Guttenberg macht
etwas daraus. Wenn die Liebe sich auch als wenig haltbar erweist, er bleibt in
dem Ort im Inntal, es wird seine zweite Heimat. Der junge Dirigent lässt sich
von dem Komponisten Karl Freiherr von Feilitzsch unterrichten. Er wird sein
Lehrer, Mentor und ist zugleich ein Ersatz-Vater. Feilitzsch bestärkt ihn nicht
nur darin, seinen Weg als Musiker weiterzugehen, sondern stößt ihn auch auf den
Umweltschutz als Großthema der kommenden Epoche. Guttenberg schult die
Chorgemeinschaft Neubeuern, wie sie nun heißt, und erweitert sie auf 150 Sänger. So
entsteht ein Oratorienchor, den er bis heute leitet, den er geprägt und zu
internationaler Anerkennung geführt hat.
Als der Vater ihn zum ersten Mal
bei einem Konzert 1968 erlebt, ist er ergriffen. Sein
Widerstand gegen die Berufswahl des Sohnes bricht.
Nach dem Tod des Vaters stellt
Enoch zu Guttenberg fest, dass die Familie Schulden hat - sogar die Frage, ob
das Schloss zu halten sei, stellt sich. Zudem geht seine mittlerweile geschlossene
Ehe mit Christiane Gräfin zu Eitz auseinander. Sowohl sein berufliches
Engagement als Dirigent und Musiker als auch seine politischen Aktivitäten als
Umweltschützer werden in der adligen Gesellschaft argwöhnisch betrachtet. »Ich
war das schwarze Schaf in unseren Kreisen. Ich hatte zeitweise ganz wenige
Freunde«, sagt Enoch zu Guttenberg. Karl zu Schwarzenberg, ein Freund des
verstorbenen Vaters und heute Außenminister der Tschechischen Republik, habe in
dieser Zeit zu ihm gehalten. Erst mit dem Erfolg, dem musikalischen wie dem
wirtschaftlichen, habe sich auch seine gesellschaftliche Position wieder
geändert.
Mit der Chorgemeinschaft Neubeuern
geht es langsam bergauf. Mitte der siebziger Jahre kommt das erste große
Konzert in München. Enoch zu Guttenberg gründet zu dieser Zeit sein Musikbüro.
Zunächst befindet es sich im Haus seiner rechten Hand Hildegard Eutermoser,
die ihn seit seinen Anfängen in Neubeuern mit Rat und Tat unterstützt. Guttenberg
kauft sich ein Haus in Neubeuern, auch das Musikbüro zieht dort ein, und aus
der ehrenamtlichen Helferin wird die Geschäftsführerin. Heute sind weitere drei
Frauen im Dachgeschoss eines Nebengebäudes des Guttenberg'schen Anwesens in
Neubeuern damit zugange, die Termine, Reisen und Konzerte des Dirigenten zu
organisieren. Der kleine Ort ist zum Sitz eines florierenden Musikbetriebes
geworden, der Konzertreisen und das jährliche Herrenchiemsee-Festival zu planen
hat, bei dem ein Dutzend Konzerte im Spiegelsaal des Schlosses und im Münster
Frauenchiemsee stattfinden. So pendelt Enoch zu Guttenberg zwischen Neubeuern
und Guttenberg, die Orte liegen knapp 270 Kilometer
entfernt. Mit der Chorgemeinschaft, die weiter ein Laienchor ist, oder mit
seinem Orchester, das sich »KlangVerwaltung« nennt,
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