Lohse, Eckart
wird er emporgetragen. Von der Bedeutung, die er dieser
Eheschließung beimisst, zeugt die Tischrede, die er sitzend an das junge Paar,
»meine lieben Kinder«, richtet. Guttenberg hatte sie sorgfältig am
Schreibtisch niedergeschrieben. »Erlaubt mir zu sagen«, so beginnt er, »dass dieser
Tag für mich die Erfüllung meines vielleicht größten persönlichen Wunsches
bedeutet. Und diese Erfüllung trägt einen Namen, den Namen Christiane Eitz.«
Einem Vater könne nichts mehr am Herzen liegen als die Frage, wie es in seinem
Hause einmal nach ihm weitergehen werde, sagt der todkranke Baron. »Ich habe
immer gehofft - nein, ich habe gewusst, dass du, Enoch, dich in dieser
wichtigsten Entscheidung deines Lebens bewähren wirst. Der heutige Tag hat
meine Hoffnung erfüllt und meine Erwartung bestätigt. Denn du, liebe Dani, bist
die Rechte - für unseren Sohn, für unsere Familie und für unser Haus. Das weiß
dein Enoch, und das wissen wir, seine Eltern.« War der Vater die treibende
Kraft für diese Ehe? Das Familienoberhaupt hat diese Verbindung als »größten
persönlichen Wunsch« bezeichnet. Kann ein guter Sohn seinem todkranken Vater
den größten Wunsch abschlagen, kann er ihn in der »wichtigsten Entscheidung
seines Lebens« enttäuschen?
Vielleicht hatte das
Familienoberhaupt selbst schon gewisse Zweifel, ob alles gutgehen würde in
dieser Ehe zweier junger Menschen, die sich noch nicht lange kannten.
Jedenfalls gibt er sich im Laufe der Rede überzeugt davon, dass die Eheleute sich
»nicht von vornherein immer einig sein« würden und dass sie es auch nicht immer
»leicht mit sich selbst« haben werden. Doch die Liebe werde ihnen helfen, da
sie »mehr und anderes als verliebt sein« sei - »mehr und anderes als voneinander
angezogen sein«.
Der Wunsch nach einer dauerhaften
Ehe geht nicht in Erfüllung. Der erste Nachwuchs - Karl-Theodor - stellt sich
rasch ein. Auch ein zweites Kind kommt bald zur Welt. Am 10. Mai 1973, anderthalb
Jahre nach der Geburt von Karl-Theodor, wird der zweite Sohn Philipp Franz
geboren. Christiane zu Guttenberg ist jetzt 21 Jahre alt,
hat zwei kleine Jungen. Ihr Mann ist als Dirigent beruflich stark gefordert;
er interessiert sich vor allem für seine Musik und engagiert sich zudem für den
Umweltschutz. Darüber hinaus muss er auch als Familien-Chef und Schlossherr das
Familienunternehmen sanieren, ist oft auf Reisen. Ist es diese Überlastung, der
die Ehe nicht gewachsen ist?
Nicht zuletzt sind es wohl die
unterschiedlichen Charaktere, die die Ehepartner auseinandertreiben. Enoch zu
Guttenberg ist ein charmanter, aber auch eigenwilliger, schwieriger,
pessimistischer Mensch. Er ist vom Selbstbewusstsein seiner adligen Abstammung
durchdrungen. Seine Frau ist hingegen kein »adliger« Typ; sie ist eine
sympathische Erscheinung, aber schon rein äußerlich alles andere als eine
Prinzessin, keine grazile, klassische Schönheit. »Dani«, so ihr Rufname, ist
von pragmatischer, ja burschikoser Art, sie lacht gern laut und ungehemmt, ist
unprätentiös, neigt nicht zum Pathos wie ihr Mann. Sie ist ein positiver
Mensch. Und sie leidet sehr unter der pessimistischen Weltsicht ihres Gatten.
Christiane zu Guttenberg und ihr
Mann trennen sich »in Freundschaft«, wie die Großmutter Enochs in ihren Memoiren
schreibt und wie es auch Enoch zu Guttenberg versichert. Nach sechs Jahren
wird die Ehe 1977 geschieden. Eine Scheidung, so
schwer sie für alle Beteiligten sein mag, ist heutzutage nichts Besonderes.
Noch in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts war das anders. In
katholischen Familien galt eine Scheidung nicht nur als ein Unglück, sondern
auch als gesellschaftlicher Makel. Doch geht es nicht nur um das öffentliche
Ansehen. Für gläubige Katholiken ist eine Scheidung prinzipiell nicht möglich,
denn die Ehe, ein Sakrament, ist nach der kirchlichen Lehre unauflöslich.
Deshalb ist eine neue kirchliche Eheschließung nach einer Scheidung nicht
möglich, weil die zuvor eingegangene Ehe weiter existiert. Wer dennoch eine
neue zivile Ehe eingeht oder unverheiratet mit einem Partner zusammenlebt,
begeht fortwährenden Ehebruch. Er ist vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen
- für praktizierende Katholiken eine Bürde. Das Scheitern einer Ehe und die
daraus resultierende Entscheidung, sich scheiden zu lassen, stellt einen tief
katholischen Menschen vor ein Dilemma.
Wo aber ist der Ausweg? Eine
Eheauflösung durch den Papst ist nur möglich, wenn die Ehe nicht
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