Lohse, Eckart
Ministerpräsident zumindest in Bayern ähnliches
politisches Gewicht wie Strauß entwickelte, war immerhin Bürokaufmann und damit
eine gewisse Ausnahme unter den Eltern des Führungspersonals. Sein glückloser
Nachfolger im Parteivorsitz, Erwin Huber, wurde auf einem einfachen, ja
ärmlichen Hof groß. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr kannte er weder
elektrisches Licht noch ein Radio. Als Huber einmal beschrieb, wie sehr ihn
diese Kindheit geprägt habe, benutzte er die Formulierung von der »Würde in
der Armut«.
Horst Seehofers Vater war Lastwagenfahrer
und Bauarbeiter. Der Sohn brachte es bis zum Bundesminister, Parteivorsitzenden
und Ministerpräsidenten. Markus Söder schließlich, dem Ambitionen auf höchste
Führungsämter in der CSU und in Bayern in der Zeit nach Stoiber und Seehofer
nachgesagt werden, ist der Sohn eines Maurermeisters. Keiner der Genannten
lebte als kleiner Junge auf einem Schloss mit Kirche wie Karl-Theodor zu
Guttenberg. Keiner hörte zu Hause die Geschichten vom Großvater, der schon im
Kanzleramt Parlamentarischer Staatssekretär war, oder begleitete den dirigierenden
Vater auf seinen Konzertreisen durch die Welt. Alle mussten sich vielmehr über
lange Jahre, ja Jahrzehnte nach oben kämpfen und mit dem Überstehen von
Niederlagen beweisen, dass sie äußersten politischen Machtwillen besitzen. So
etwas macht hart und stark.
Im Jahr 2002, als
unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit Karl-Theodor zu Guttenberg erstmals
in den Bundestag gewählt wird, steht die CSU an einem der wichtigsten Wendepunkte
ihrer Parteigeschichte. Zum zweiten Mal greift sie nach den politischen
Sternen, will als Partei Bayerns ganz Deutschland regieren. Edmund Stoiber ist
seit langem mächtiger Parteivorsitzender und Regierungschef in München. Die
große Schwesterpartei CDU leidet unter ihrer Spendenaffäre - und viele
einflussreiche Männer der einstigen Kohl-Partei leiden darunter, dass eine
ostdeutsche Pfarrerstochter die Schwächephase der westdeutsch dominierten
Männer-CDU genutzt hat, um sich zur Vorsitzenden wählen zu lassen. In dieser
Situation erscheint ihnen ein Kanzlerkandidat Edmund Stoiber als das kleinere
Übel für die Bundestagswahl im Herbst 2002. Zum
zweiten Mal in der bundesdeutschen Geschichte darf die CSU versuchen, das
mächtigste Amt im Staate zu erobern. Stoiber verfehlt nur um einige
zehntausend Stimmen den Sieg. Kein Vergleich jedenfalls zu dem lausigen
Ergebnis, das 22 Jahre zuvor Franz Josef Strauß
eingefahren hatte. Vielleicht hätte es gereicht, wenn Stoiber die eine oder
andere Ungeschicklichkeit im stark vom aufziehenden Irakkrieg geprägten
Wahlkampf vermieden hätte, und er wäre zum mächtigsten CSU-Politiker der
Geschichte aufgestiegen.
Für die politische Laufbahn
Guttenbergs ist das knappe Scheitern Stoibers von entscheidender Bedeutung. Man
stelle sich vor, die Republik hätte 53 Jahre nach
ihrer Gründung ihren ersten CSU-Kanzler bekommen. Stoiber wäre ein, vielleicht
zwei Legislaturperioden am Ruder geblieben. Danach wäre der Bedarf nicht nur
der CDU, sondern auch der Wählerschaft an CSU-Kanzlern vermutlich für lange
Zeit gedeckt gewesen. Auch in München hätten die Dinge vermutlich einen
anderen Verlauf genommen. Die Wechsel an der Parteispitze und im Amt des
Regierungschefs wären reibungsloser verlaufen. Die Partei hätte möglicherweise
keinen so dramatischen Niedergang erlebt, jedenfalls nicht so schnell. Die
Sehnsucht nach jemandem, der allein durch seine Präsenz alles wieder macht wie
früher, wäre nicht entstanden. Und von dieser Sehnsucht lebt Guttenberg.
Wäre, hätte - alles
gegenstandslos. Euphorie ist auch der Ausdruck für ein Glücksgefühl kurz vor
dem Tod. Ganz so kommt es für die CSU nicht, aber doch ziemlich schlimm. Zunächst
ist das nicht zu merken. Denn unter der Führung des auf der bundespolitischen
Ebene knapp gescheiterten Stoiber marschiert die Partei in Bayern im Jahre 2003 zu einem
gigantischen Sieg bei der Landtagswahl. Als bislang einzige Partei in der
gesamten bundesdeutschen Geschichte kann sie eine Zweidrittelmehrheit im
Landtag erringen. Mehr Macht war nie.
Und mehr Absturz war nie. Die
Partei wird Stoibers überdrüssig. Zu lange steht er an der Spitze, treue
Weggefährten wie Erwin Huber und Günther Beckstein haben das Ende ihrer
politischen Laufbahn schon vor Augen und wollen diese mit einem Spitzenamt
krönen. Bei der auf 2005 vorgezogenen
Bundestagswahl verspielt Stoiber endgültig die letzten Sympathien
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