Lohse, Eckart
Bilder, die entstehen,
sind in der Regel gut. Der sportliche Guttenberg wirkt auf ihnen wie ein Soldat
unter Soldaten und nicht wie ein Minister, dessen körperliche Herausforderung
im Wesentlichen darin besteht, von der gepanzerten Limousine bis ins Büro oder
zu irgendeinem Auftritt zu laufen. Ob ein Minister so aussehen muss wie seine
Untergebenen und Schutzbefohlenen, ist eine andere Frage. Für die Objektive
der Fotografen und die Bildredaktionen der Zeitungen ist es auf jeden Fall ein
Vorteil.
Wenn solche und ähnliche Bilder
wirken, dem Publikum gefallen sollen, dann müssen die Politiker zunächst gut
aussehen. Joschka Fischer konnte sich zum Ende der neunziger Jahre, als er auf
dem Höhepunkt seiner körperlichen Fitness war, gut im T-Shirt fotografieren
lassen und dabei die muskulösen Oberarme präsentieren. Jeder wusste: Der Mann
läuft beim Training für den Marathon sogar seinen weit jüngeren Leibwächtern
davon. Jeder konnte es sehen. Fischer, der sich aus kleinen Verhältnissen auf
einer eigenen Spur neben den regulären Bildungswegen halb nach oben geprügelt,
halb gelesen hatte, kam als Muskel-Minister deswegen gut an, weil man ihm die
Pose glaubte. Das ist auch der Grund, aus dem sich der frühere russische
Präsident Wladimir Putin bei sportlichen Aktivitäten mit entblößtem Oberkörper
ablichten lassen konnte. Das passte zu dem einstigen Geheimdienstmann.
Schwierig wird es mit den Posen
und den Kostümen, wenn sie der sie vorführenden Person nicht zugeschrieben
werden. Als aus dem »Joschka« im Herbst 1998 der
Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland wurde und dieser
anfing, mit dunklen Dreiteilern vor der Kamera aufzutreten, war das viel
erklärungsbedürftiger als der Laufdress oder die Lederjacke. Einem
Außenminister schrieb das Publikum solche Anzüge selbstverständlich zu, auch
wenn es bisher weniger Eleganz gewöhnt war, als sie der Grünen-Politiker
vorführte, und sich eher an die gelben Pullunder Hans-Dietrich Genschers
gewöhnt hatte. Aber Fischer im Dreiteiler? Das musste er erklären. Immerhin
boten die Bilder Anlass zu Aufmerksamkeit, auch optisch war Fischer
interessant, die Nation diskutierte darüber, ob seine Leibesfülle gerade passend
oder zu üppig war. Das Joggen erlebte Konjunktur durch den prominenten Läufer.
Fischer produzierte Bilder, und seiner Popularität nutzte es sehr.
Für die Kamera
geboren
Bilder von politischen Akteuren
entstehen auf zwei Wegen. Einmal ohne und einmal mit dem Zutun der Politiker.
Sprechen ein Abgeordneter, ein Minister, eine Kanzlerin vor dem Bundestag, auf
einem Parteitag oder auf dem Feuerwehrfest im Wahlkreis, so können sie sich
nicht dagegen wehren, fotografiert und gefilmt zu werden. Es kommen Bilder
weitgehend ohne ihr Zutun zustande, sie können lediglich versuchen, eine
einigermaßen ordentliche Figur zu machen während der Ausübung der politischen
Alltagsarbeit. Schon das fällt einigen nicht leicht.
Ein besonders interessanter Fall
ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hat sich lange an die ständige
Kamerapräsenz gewöhnen müssen, seit sie in der Bundesrepublik ganz oben Politik
macht. Noch heute betrachtet sie Kameras als notwendiges Übel, als Preis, den
sie für das Amt der Bundeskanzlerin zu zahlen hat. Sie vermittelt nicht das
Gefühl, gern gefilmt oder fotografiert zu werden. Auch wenn sie mit der Wahl
zur CDU-Vorsitzenden im Jahr 2000, spätestens aber mit dem Einzug ins
Kanzleramt fünf Jahre danach mit der fast permanenten Anwesenheit von Kameras
zu leben lernen musste, merkt man nach wie vor, ob sie sich dieser gerade
bewusst ist oder nicht. Ihr können die Gesichtszüge selbst bei einer Pressekonferenz
immer noch entgleiten, die Mundwinkel hängen dann tief. Wenn Angela Merkel sich
dessen bewusst wird, aktiviert sie ruckartig ihr Kameragesicht. Ihrem
Vorgänger Gerhard Schröder, um ein Beispiel zu nennen, ist das nicht passiert.
Seine Mimik ist immer kameratauglich.
Das gilt für Guttenberg allemal.
Der Mann ist wie für die Kamera geboren. Von den unzähligen Bildern, die bislang
von ihm entstanden sind, ist keines so geworden, dass man es als miserabel,
vernichtend, ihn lächerlich machend bezeichnen könnte. Es geht mit seiner Figur
los. Er ist großgewachsen und schlank. Nicht zu kräftig in den Schultern, nicht
zu schmal, eine Art Gardemaß des Medienzeitalters. Es geht mit der
Kleidung weiter. Die Anzüge sitzen genauso wie die Freizeitkleidung, die er ab
und an
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