Lohse, Eckart
vorführt. Niemand käme angesichts seines familiären Hintergrundes auf
die Idee, teure Anzüge befremdlich zu finden, wie einst bei Fischer oder Schröder,
als der seine Brioni-Phase hatte. Vielmehr scheint es auch eine optische
Sehnsucht nach einem gut angezogenen, jungen Politiker zu geben nach all den
Kohls, Waigels und Kinkels in ihrem ewigen Grau. Diese Sehnsucht bedienen
übrigens auch ein Norbert Röttgen und auf der weiblichen Seite die Ministerinnen
Ursula von der Leyen und Kristina Schröder bis zu einem gewissen Grade.
Es geht weiter mit Guttenbergs
Bewegungen. Seine Vorgänger sowohl im Wirtschafts- als auch im
Verteidigungsressort, Michael Glos und Franz Josef Jung, kamen bei günstiger
Beschreibung gemessenen Schrittes daher. Guttenberg scheint gar nicht langsam
oder gemessen gehen zu können. Er pflegt zu eilen und setzt dabei seine Füße
wie Sprungfedern ein. Mit jedem Schritt drückt er sich ein Stück in die Höhe,
was gelegentlich etwas aufgeregt wirkt, jedenfalls aber dynamisch. Auf dem
Luftwaffenstützpunkt im pfälzischen Germersheim entstand im Sommer 2010 ein Foto,
auf dem Guttenberg so aussieht, als bewege er sich im Dauerlauftempo.
Tatsächlich könnte es aber auch seine leicht gesteigerte Normalgeschwindigkeit
sein. So etwas kann man kaum trainieren, so läuft man oder so läuft man nicht.
Die Bühnen, von denen herab Politiker bei ihren Auftritten zu sprechen
pflegen, besteigt oder verlässt er gern mit einem Sprung. Einer, der bei
solcher Gelegenheit in seiner Begleitung war, berichtet, wie er wegen der
glatten Ledersohlen seiner Schuhe der Versuchung widerstanden habe, es
Guttenberg gleichzutun, weil er einen Sturz fürchtete. Guttenberg trägt
häufiger Schuhe mit rutschfesten Sohlen.
Doch es sind nicht nur Beine und
Füße, die Guttenberg hochdynamisch einsetzt. Mit seinen Händen geht er ähnlich
um. Das geht mit der Begrüßung los. Ein Handschlag gehört selbstverständlich
dazu, ganz gleich, wie vielen Menschen er begegnet, seien sie Bundeskanzlerin
oder Pilot der Flugbereitschaft. In Zeiten der Schweinegrippe führte er ein
Fläschchen mit Desinfektionsmittel mit sich, um kein Risiko durch das viele
Händeschütteln einzugehen. Als er Mitte November 2010 auf dem
CDU-Parteitag in Karlsruhe den Antrag zur Bundeswehrreform nebst Aussetzung der
Wehrpflicht vorstellte, begrüßte er zuvor jeden einzelnen der zahlreichen
CDU-Granden, die auf dem Podium des Parteitags saßen. Mehrfach vergewisserte er
sich, ob er auch niemanden vergessen habe, drehte um, ging drei Schritte,
schüttelte noch eine Hand und wieder eine, bis er jeden beglückt hatte. Guttenberg
ohne Händedruck zu begrüßen geht kaum. Meistens weiß er auch noch den Namen des
Begrüßten.
Die Dynamik, oder besser die
Hochspannung, die seinen Körper zu durchdringen scheint, bestimmt auch seine
Bewegungsabläufe während einer Rede. Hier ist Guttenberg das Gegenteil der
behutsamen Kanzlerin, die ihre Fingerspitzen gerne vor dem Bauch zusammenführt,
die Hände wie einen keilförmigen, kleinen Käfig geformt, die beim Gestikulieren
den Eindruck erweckt, als drehe sie mit den Fingern die Krone einer
empfindlichen Uhr, ganz vorsichtig, feinfühlig, die dabei ruhig zu stehen pflegt,
der jegliches Herumhampeln fremd ist bei ihren Reden. Guttenberg dagegen federt
manchmal sogar im Stehen hinter dem Rednerpult noch nach, seine Hände teilen
mit harten Streichen die Luft, als wollte er einen präzisen Schnitt machen, er
bewegt ruckartig mal den ganzen Körper, mal bloß den Kopf. Gelegentlich wirkt
es wie bei einem hyperaktiven Kind, wie bei einem Zappelphilipp. Wer seinem
Vater Enoch beim Dirigieren zuschaut, wie er fast springt vor dem Orchester
oder dem Chor, weiß, woher Sohn Karl-Theodor das hat.
Guttenberg produziert nicht nur
beim Gehen, beim Händeschütteln oder beim Reden interessante Bilder. Sogar im
Sitzen gelingt ihm das bisweilen. Wenn die Kanzlerin oder ihre Minister mit
einer der großen Maschinen der Flugbereitschaft auf Reisen gehen, pflegen sie
unterwegs die mitgereisten Journalisten in einen kleinen Besprechungsraum zu
bitten, um die Inhalte und Ziele der Reise zu erläutern. Es ist ziemlich eng
dort, die zwei einander gegenüberstehenden, sofaähnlichen Sitzgelegenheiten
bieten bequem vier Personen Platz. Bei den Briefings drängen sich aber oft 15 und mehr
Reisende in dem kleinen Raum. Auch die Kanzlerin akzeptiert es dann, dass noch
drei Journalisten neben ihr auf der Couch sitzen, einige von ihnen
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