Lohse, Eckart
erzählt, so formuliert es
ein Kabinettsmitglied, geradezu eine Bildergeschichte. Das - ziemlich große -
Startkapital für Guttenbergs Superpopularität ist ein Foto. Es entsteht im März
2009, wenige Wochen nachdem er überraschend Wirtschaftsminister geworden ist.
Guttenberg reist mit der für einen Wirtschaftsminister spektakulären Zahl von 38 deutschen
Journalisten als Begleittross nach Amerika, um über die Zukunft von Opel zu
beraten. Dass die Medien in solcher Zahl mitreisen, liegt nicht so sehr an der
Leidenschaft der Journalisten für Fahrzeuge aus dem Hause Opel, nicht einmal an
der wirtschaftspolitisch interessanten Entwicklung rund um den Autobauer.
Nein, die Texte, vor allem aber Bilder produzierende Zunft ahnt, dass
Guttenberg ein gutes Motiv ist.
Das rasch zu Berühmtheit gelangte
Foto, das den Minister nachts im Lichtermeer des Times Square mit
ausgebreiteten Armen in der Was-kostet-die-Welt-Pose zeigt, übertrifft jedoch
die kühnsten Erwartungen. Die einen sind begeistert, die anderen finden die
Szene gestellt und maßlos übertrieben. Doch eines ist unstrittig: Es ist ein
gutes Foto, ein in jeder Hinsicht brillantes Bild. Und es hat eine Nachricht:
Deutschland hat einen Spitzenpolitiker, der diese Pose kann, dem man sie
abnimmt, ganz gleich, ob sie einem gefällt oder nicht.
Ende Mai folgt ein zweites Bild,
kein Foto, sondern eine Kameraeinstellung. Guttenberg nachts vor dem
Kanzleramt, in der Pose des Widerständlers. Der junge Minister, kaum ein paar
Monate im Amt, stellt sich mit politischer Todesverachtung, die sich in einer
ersten Rücktrittsdrohung niederschlägt, gegen den Rest des Kabinetts und
spricht sich für eine Insolvenz von Opel aus.
Das Erfolgsgeheimnis des Mannes
aus Oberfranken ist in wesentlichen Teilen in diesen beiden Bildern enthalten.
Allerdings fällt es leichter, sie im Rückblick zu lesen: Er sieht gut aus, er
bewegt sich mühelos in der großen, weiten Welt, Englischkenntnisse sowie
Erfahrungen in den Straßen von New York eingeschlossen, er würde auf dem Cover
der »Cosmopolitan« ebenso eine gute Figur machen wie auf dem des »Time
Magazine«, als Titelfigur des »Stern« oder der »Bunten« sowieso. Das ist die
äußere Botschaft, die Bild eins vermittelt. Bild zwei, vor dem Kanzleramt,
erzählt die innere, die politische Geschichte: Der Mann steht auf seinen
eigenen Füßen, hat keine Angst, sich von Anfang an gegen das politische
Establishment mitsamt der Bundeskanzlerin zu stellen, er schert sich nicht um
den politischen Mainstream, ist dem Arbeiter im Zehn-Mann-Betrieb näher als
dem Großkonzern, der sich bettelnd an den Staat wendet, und schließlich hängt
er nicht an dem Job eines Bundesministers, auch wenn er ihn gerade erst
bekommen hat.
Schritt für Schritt, mit
traumwandlerischer Sicherheit blättert Guttenberg ein großes Kapitel seiner
Bildergeschichte nach dem anderen auf. Mitte November 2009, er ist
gerade ein paar Wochen Verteidigungsminister, erscheint das Foto zum neuen Amt.
Nicht ein lächerliches Amtsübernahmemotiv mit Händedruck des Bundespräsidenten.
Das würde niemand drucken, schon gar würde es niemanden beeindrucken. Es ist
ein Foto von einer Reise des Ministers nach Afghanistan, das ihn in einem
Transportflugzeug des Typs »Transall« zeigt. Diese Maschinen haben nur kleine
Fenster, durch diese scheint das Licht gerade besonders günstig, als
ddp-Cheffotograf Michael Kappeler auf den Auslöser drückt. Guttenberg, die
Hände in die Hüften gestemmt, steht mitten zwischen den Soldaten, als posiere
er in seinem dunklen Anzug mit weißem Hemd und blauer Krawatte für eine
Modefirma. Mehr Eleganz kann ein Minister nicht an den Tag legen, allemal
nicht in einem Militärtransportflugzeug. Dessen karges Inneres kontrastiert
mit dem äußeren Glanz des Ministers perfekt. Der Fotograf wird später, als das
Bild zahlreiche Zeitungen geziert hat, versichern, es sei nicht gestellt
gewesen.
Optisch ist Guttenberg im neuen
Ressort angekommen. Kein Motiv wird die Tätigkeit des Ministers so dominieren
wie seine Begegnung mit der Einsatzwirklichkeit der Soldaten, meistens in
Afghanistan. Immer wieder fliegt Guttenberg zu den Soldaten, begründet das mit
der »verdammten Pflicht«, nicht nur vom Schreibtisch in Berlin aus sich ein
Bild zu machen, sondern vor Ort nachzuschauen. Mit den Bildern aus Afghanistan
ist es wie mit dem vom Times Square. Ganz gleich, was man von den stets gut
dokumentierten Truppenumarmungen im Einsatzland hält, die
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