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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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untröstlich, dass Mama gestorben ist und Papa es nicht mehr länger gemacht hat. Dann stellen sie fest, dass ihre Alten mit warmen Händen gegeben haben oder die ganze Kohle fürs Pflegeheim draufgegangen und nichts übriggeblieben ist, außer einer jämmerlichen Zimmereinrichtung.
    Druckreif, denkt Hanns. Wieso habe ich das verdammte Diktiergerät nicht an. Die spricht druckreif, das sollte der Praktikant mal hören.
    Aber es gab in letzter Zeit mehr Todesfälle als üblich, schickt er noch als Versuchsballon über den Tisch.
    Die Frau beugt sich zu Hanns und schaut ihm in die Augen. Da irren Sie sich. Die kommen schon tot hierher.
    Dann steht sie auf und ihre beiden Kollegen ebenso.
    Essen Sie einen Doughnut, sagt der Pfleger und schiebt Hanns die Schachtel rüber. Und wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit hoch auf Station und lüfte mal die Bettdecken. Dann können Sie riechen, wie tot die Alten schon sind, wenn sie hier landen. Den Geruch werden Sie nicht mehr los. Der steigt Ihnen sogar beim Vögeln in die Nase, wenn Sie an nichts Böses denken.
    Die drei gehen, und Hanns überlegt, ob er das Angebot annehmen und eine ganz andere Geschichte schreiben sollte. Dass sie sich in Frankenburg mal richtig gruseln. Und die Überschrift ist ihm gerade frei Haus geliefert worden. Die kommen schon tot hierher. Nicht schlecht, murmelt er und schaut auf die Uhr. In zwei Stunden wird er Daniel vom Zug abholen. Er steht auf und macht sich |296| auf den Weg zur Pressesprecherin, die ihm nur sagen wird, was sie in teuren PR-Kursen gelernt hat.
    Wir haben die Kollegin beurlaubt, bis alle offenen Fragen geklärt sind, sagt sie. Auf Ihrem Tisch in der Redaktion müsste die entsprechende Presseerklärung bereits liegen. Uns ist daran gelegen, dass alles restlos aufgeklärt wird und wir uns wieder unserer eigentlichen Arbeit widmen können. Menschen gesund machen, und das mit möglichst wenig Geld und unter nicht allzu luxuriösen Bedingungen.
    Haben Sie hier im Krankenhaus einen Rhetorikkurs veranstaltet, entfährt es Hanns. Es kommt ihm seltsam vor, dass die hier alle sprechen, als hätten sie nichts anderes gelernt.
    Die Pressesprecherin lächelt.
    Freut mich, wenn Ihnen meine Sätze gefallen, Herr Grabowski. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten. Versprochen.
    Kann ich mit der Krankenschwester reden?
    Die Pressesprecherin schaut Hanns an, als sei er ein ekliges Gewächs, das sich mitten in ihrem Zimmer angewurzelt hat. Wir haben der Frau empfohlen, nicht mit Journalisten zu reden. Nicht, während die Ermittlungen laufen. Aber letztlich ist das ihre Entscheidung, nicht unsere. Sie dürfen aber nicht erwarten, dass ich Ihnen jetzt die Adresse gebe.
    Hanns schüttelt den Kopf. Die Adresse wird er schon rausbekommen, wenn er das möchte. Danke, sagt er und geht.
    Zwei Stunden später sitzt er in seinem Auto vor dem Bahnhof und schaut sich die trinkenden Glatzen an. Die stehen, als seien sie in der Zwischenzeit nicht ein einziges Mal woanders gewesen. Außer in der Scharfen Ecke. Palavern und schauen sich jeden Mann genau an, der an |297| ihnen vorbeiläuft. Die Frauen lassen sie unbehelligt. Wahrscheinlich weil ihr alle ganz kleine Schwänze habt, denkt Hanns.
Little boys with little dicks
, summt er und überlegt, woher er das Lied kennt. Irgendein Weibersportverein war das. Fußball, Rugby, Hockey, er weiß es nicht mehr. Aber die Damen haben das Lied abends nach dem Sieg in der Kneipe gesungen, und an den Nachbartischen ist es nach und nach leer geworden. So etwas vertragen die Kerle nicht.
    Hanns sieht, wie Daniel aus dem Bahnhofsgebäude kommt und auf der Vortreppe stehen bleibt, um nach ihm Ausschau zu halten. Es war versprochen, dass er abgeholt wird. Die Glatzen hören auf zu reden und schauen sich den Fremden an, gucken ihn sich warm, denkt Hanns und ist geneigt, auszusteigen und einen mageren Schutzwall zu bilden. Daniel wendet den Kopf, bekommt Blickkontakt mit einem der Bier trinkenden Hohlköpfe und lächelt vage. Dieses Lächeln kennt Hanns. Das setzt Daniel immer auf, wenn er sich nicht sicher ist, ob es jetzt gerade gut oder schlecht läuft. Auf keinen Fall gut, Junge, denkt er. Mach, dass du da wegkommst. Er steigt aus dem Auto aus und drückt kurz auf die Hupe. Daniel wendet den Blick ab und winkt. Kommt die Treppe runter, und der Bann ist gebrochen. Die glattrasierten Wichser mit den aufgeplusterten Jacken lassen ab und nehmen alle einen Schluck aus der Flasche.
    Hanns, sagt Daniel und umarmt seinen Freund. Schön,

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