Lola Bensky
sie hoffte, dass er cool klang. Sie fühlte sich beschämt und gedemütigt. Und sehr fett. Nicht einmal ihre neuen, lilafarbenen falschen Wimpern konnten sie von der Tatsache ihres Dickseins ablenken.
Lola konnte sich kaum noch an das Interview mit Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick und Tich erinnern. Sie wusste noch, dass sie alle höflich gewesen waren und nicht so wirkten, als würden sie jemanden als dicke australische Journalistin bezeichnen, insbesondere nicht Dave Dee, ein ehemaliger Polizist, der ausgesprochen höflich gewesen war. Lola wusste nicht, ob es Dave Dee gewesen war, der das zu Linda gesagt hatte. Vielleicht fühlte er sich als ehemaliger Polizist zu genauen Beschreibungen verpflichtet.
»Ich finde nicht, dass du anti-feministisch oder sexistisch bist«, sagte Lola zu Mick Jagger. »Ich finde, dass du recht hast. Es ist eine Männerwelt. Das Rockgeschäft ist voller Jungs. Jungs in Bands, die in sich selbst verliebt sind und in das, was sie darstellen.«
Mick Jagger lachte. »Und du bist in keinen von denen verliebt«, sagte er.
»Nein«, sagte sie.
Am allerwenigsten verliebt war sie in Pete Townshend von
The Who. Sie hatte The Who einmal nach einem Auftritt in ihrer Garderobe interviewen müssen. Lola saß auf einem Stuhl und machte ihr Aufnahmegerät bereit, als Keith Moon, der Drummer von The Who, hereinkam, neben Lola stehen blieb und seine Hose auszog. Keith Moons Schritt befand sich genau auf Höhe von Lolas Augen und für Lolas Empfinden ihrem Gesicht unangenehm nahe. Sie konzentrierte sich auf ihr Aufnahmegerät und tat so, als bemerke sie seine haarigen Beine und seine seltsam bunte, knappe Unterhose gar nicht.
The Who waren als eine Gruppe bekannt, deren Mitglieder einander nicht leiden konnten. Außerdem waren sie dafür bekannt, dass sie jeden ihrer Auftritte mit einem spektakulären Akt der Zerstörung beendeten. Sie zerschmetterten Gitarren und Drumsticks und Verstärker, bis die Bühne mit den kostspieligen Trümmern demolierter Musikinstrumente übersät war.
»Kommt ihr inzwischen besser miteinander aus?«, fragte Lola John Entwistle, den Bassgitaristen. Sie stellte ihm diese Frage, weil das bedeutete, dass sie sich von Keith Moon und dessen knapp sitzender Unterhose abwenden konnte. »Wir kommen jetzt viel besser miteinander aus«, sagte John Entwistle. »Manchmal streiten wir uns noch, aber meistens als Gruppe und nicht jeder gegen jeden.«
Lola versuchte, mit der Vorstellung zurechtzukommen, dass sie sich als Gruppe stritten – hieß das, sie schlugen sich gegenseitig, oder gemeinsam andere? Keith Moon und Pete Townshend schienen ein reizbares Temperament zu haben. Pete Townshend rückte seinen Stuhl näher zu ihr heran und sagte: »The Who kommen nicht besser miteinander aus. Wir tun nur so, als kämen wir besser miteinander aus. Es ist leicht, so zu tun. Jeder tut so, als ob. Man tut so, als käme man mit seinen
Eltern aus, man tut so, als wäre man zu Hause glücklich, weil es einem in den Kram passt, dort zu wohnen.«
Lola wünschte sich, sie hätte die Frage nicht gestellt. Irgendetwas an seinem höhnischen, unbeteiligten Ton regte sie auf. »Die Arbeitsatmosphäre in anderen Gruppen ist vermutlich ähnlich wie bei uns«, sagte Pete Townshend. »Da muss es Spannungen geben. Was ist mit den Kinks? Die haben zwei Brüder in der Band. Zwischen Brüdern gibt es immer Spannungen. Die Walker Brothers. Da muss es Spannungen geben.«
Als er die Walker Brothers erwähnte, verzog er das Gesicht zu einer besonders abfälligen Grimasse. Lola fragte sich, was er gegen die Walker Brothers hatte. Sie brauchte nicht zu fragen. »Die Walker Brothers kommen auf die Bühne und sehen fabelhaft und fantastisch aus, und innerhalb weniger Wochen sind sie an der Spitze der Charts«, sagte er. »Unsere Band ist überhaupt nicht glamourös. Das ist eines unserer großen Probleme, wir haben keinen Glamour.« Lola dachte, dass Pete Townshend möglicherweise kompliziertere Probleme hatte als fehlenden Glamour. Sein ungehobeltes, unfreundliches Auftreten zum Beispiel.
Pete Townshend fing an zu erzählen, wie er damit angefangen hatte, auf der Bühne seine Gitarre zu zerschmettern. Zwanzig Minuten später redete er immer noch darüber. Lola wollte sich einem der anderen Mitglieder von The Who zuwenden, aber die saßen beide neben Keith Moon, der inzwischen auch noch sein Hemd ausgezogen hatte.
Pete Townshend sprach über den Sound, den er produzierte, wenn er seine Gitarre in die Verstärker
Weitere Kostenlose Bücher