Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
Vom Netzwerk:
Jagger. »Nein. Ich kann kaum singen. Ich bin nicht Tom Jones oder Scott Walker, und es ist mir scheißegal.« Eine Menge Leute hatten es auf Scott Walker abgesehen, dachte Lola. Pete Townshend wütete gegen die Walker Brothers. Auch Mick Jagger wirkte nicht gerade begeistert von ihnen.
    »Ich habe nichts gegen Scott Walker«, sagte Mick Jagger. »Er ist ein guter Sänger. Ich nicht, aber ich singe gern. Ich habe schon immer gern gesungen. Schon als Kind habe ich zu Hause oft gesungen. Und im Kirchenchor.«
    Alle waren in der Kirche oder in der Synagoge, sogar Mick Jagger, dachte Lola. Bei dem Gedanken fühlte sie sich ziemlich benachteiligt. Einer Gruppe anzugehören, das schien etwas Behagliches zu haben. Es war ein Gefühl der Zugehörigkeit, dachte Lola. Lola selbst hatte nie das Gefühl, irgendwo richtig dazuzugehören. Als Familie schienen Renia, Edek und Lola zu dezimiert, um als Gruppe zu gelten. Wenn man einer
formalen Gruppe angehörte, wurde man offiziell zum Mitglied ernannt. Anders als in Familien, wo die Mitgliedschaft eher zufällig oder willkürlich war. In einer Kirchen- oder Pfadfinder- oder Strickgruppe hatte jeder eine klare Rolle. Alles wirkte überschaubar, man besuchte Versammlungen, die Leute waren freundlich. Es gab Ordnung und Struktur und so etwas wie Zusammenhalt. Es gab Rituale und Regeln und oftmals Essen. Als Lola klein war, buk ihre Nachbarin, Mrs. Dent, immer Apfelkuchen oder Marmeladentörtchen für das Kirchenpicknick oder irgendwelche anderen kirchlichen Ereignisse. Sie war gläubige Methodistin. Lola wäre gern mit Mrs. Dent in die Kirche gegangen, um ein Stück Apfelkuchen oder ein Marmeladentörtchen zu essen.
    Lola wusste, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe war nicht so eindeutig, wie es schien. Mit zwölf hatte sie Edek überredet, an einem Samstagnachmittag mit dem Vater einer Schulfreundin Tennis zu spielen. Edek hatte sich ihren Bitten monatelang widersetzt. »Bist du verrückt?«, hatte er gesagt. Doch schließlich hatte er nachgegeben. Lola war in Hochstimmung gewesen. Ihr Plan war ein Tennisclub. Eine Reihe von Tennisnachmittagen mit ihrer Schulfreundin Suzy und Suzys Vater Bill. Bill war die anglisierte Version von irgendetwas Ungarischem.
    Bill Gantner war ein dunkler, gutaussehender Mann mit einem Schnauzbart. Er trug weiße Shorts, ein weißes Hemd und weiße Tennisschuhe. Edek erschien in seiner grauen Wochenendhose und einem Plastikparka. Das Match nahm keinen guten Anfang. Bill Gantner musste Edek, der ein recht guter Tischtennisspieler war, zeigen, wie man den Schläger hielt. Edek schlug mit dem Schläger wild nach jedem Ball. Er rannte über den ganzen Platz. Der Schweiß lief ihm in Strömen, und er fluchte auf Jiddisch.
    Außer einer Serie von Grunzlauten war von Edeks Seite des Platzes nichts weiter zu hören als »Oj, Cholera«, was wörtlich mit »O Cholera« übersetzt werden konnte, eigentlich aber »Verdammte Scheiße« hieß. Edek gelang es nicht, einen einzigen Ball zu treffen. Das Spiel musste unterbrochen werden, als Edek stolperte, seine Hose zerriss und sich das Knie aufschürfte. Auf dem Heimweg im Auto war Edek fürchterlicher Laune gewesen.
    »Mit solchen Spielen ich bin fertig«, sagte Edek zu Lola.
    »Mr. Bensky braucht Training«, hatte Suzys Vater Suzy zufolge gesagt.
    Das Tennisteam löste sich auf, noch ehe es eine Chance hatte, richtig zusammenzufinden.
    »Ich habe auch gerne Sängern im Radio zugehört oder sie mir im Fernsehen angesehen«, sagte Mick Jagger. Im Radio oder im Fernsehen Sängern zuzuhören klang nicht wie die typische Aktivität von jemandem, der später einmal als schmuddeliger, rebellischer, haltloser, ausschweifender Bürgerschreck gelten sollte.
    Nichts an Mick Jagger oder an Mick Jaggers Wohnung war im Entferntesten schmuddelig. Seine Wohnung, die er, wie Lola wusste, selbst eingerichtet hatte, war aufgeräumt und makellos. Auf einem hölzernen Kaminsims stand, etwas links von der Mitte, ein grauer, viereckiger Kasten mit flackernden Lichtern. Mick Jagger sah, dass sie die Lichter betrachtete.
    »Man kann sie nicht ausschalten«, sagte er. »Das ist eine Nothing Box. Ich sitze gerne hier und sehe sie mir an.« Lola hatte keine Ahnung, was eine Nothing Box war, doch dazusitzen und sie anzusehen klang jedenfalls harmlos.
    »Das hat jetzt nichts mit der Nothing Box zu tun, aber man sagt dir nach, verdorben zu sein«, sagte Lola. »Bist du verdorben?« Mick Jagger überlegte kurz.
    »Was macht Verderbtheit aus?«,

Weitere Kostenlose Bücher