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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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zu dem Schluss gekommen, dass sie New York wirklich mochte. Die Stadt sog einen in sich auf. Wie ein Schwamm oder ein Stück Löschpapier. New York verringerte das Gefühl, allein zu sein, Ausländer zu sein, weit weg von zu Hause zu sein. Niemand fragte danach, warum man in New York war. Hier kamen die Menschen von überall her. Man war einfach einer von ihnen.
    Lola fand es hier leichter, Interviews zu vereinbaren. In London hatte sie sehr viel reden müssen, um die Leute davon zu überzeugen, dass Interviews, die in Australien in Rock-Out erschienen, den Aufwand wert waren. Im Großen und Ganzen waren die Engländer den Australiern gegenüber misstrauisch und sahen auf sie herab.
    In New York stellte niemand den Wert eines Interviews mit einer australischen Zeitung mit komischem Namen in Frage. Lola fühlte sich unerwartet heimisch in der halb heruntergewirtschafteten, nicht ganz blitzsauberen Stadt. New
York machte ihr keine Angst. Das Gerede, wie gefährlich die Stadt war, machte ihr keine Angst. Die Polizisten, die alle deutlich sichtbar Pistolen trugen, machten ihr keine Angst. Nichts machte ihr Angst. Sie wusste noch nicht, dass sie weniger als ein Jahrzehnt später vor allem und jedem Angst haben würde. Dass sie Panikattacken erleben würde, die ihr die Luft zum Atmen nahmen.
     
    Allmählich gewöhnte sich Lola an die Kakerlaken in ihrem Zimmer im Horwood Hotel. Manchmal saß sie da und beobachtete, wie sie über den Fußboden huschten. Im Gegensatz zu Ameisen schienen Kakerlaken öfter eine Pause einzulegen. Lola fragte sich, was sie während dieser Pausen machten. Sie schienen vollkommen bewegungslos zu verharren, um dann plötzlich wieder loszulaufen. Vielleicht fraßen sie, aber ihre Bewegungen waren zu zart und fein, als dass Lola irgendwelche Aktivitäten hätte ausmachen können.
    Außerdem hatte Lola herausgefunden, dass sie, wenn sie morgens früh genug aufstand, mit einem leeren, sauberen Badezimmer rechnen konnte. Allmählich wuchs ihr das Horwood ans Herz. An diesem Abend wollte sie mit Lillian und Linda Eastman zu einem Konzert der Doors gehen, im The Scene, einem Club in Downtown. Sie würden die drei L's sein.
    Sie waren in einer Stunde verabredet. Lola legte ihre lilafarbenen falschen Wimpern an. Als sie schließlich richtig positioniert und festgeklebt und von dickem schwarzen Eyeliner eingerahmt waren, fiel ihr ein, dass weder Lillian noch Linda Make-up trugen. Lola überlegte kurz, ob sie ihr Gesicht waschen sollte, doch es war lange her, seit sie ohne ihre dicke Make-up-Schicht, ihren Eyeliner und ihre Wimpern irgendwo hingegangen war.
    The Scene befand sich im Keller eines Gebäudes auf der Ecke 46 th Street und Eighth Avenue. Die Gegend hieß Hell's Kitchen und war nicht gerade der blühendste Stadtteil. Wenn man spätnachts aus dem Club kam, stieß man an der Eighth Avenue auf eine Parade Prostituierter in Hotpants. Lola hatte noch nie zuvor Prostituierte aus der Nähe gesehen. Sie sahen wie ganz gewöhnliche Mädchen aus, nur stärker zurechtgemacht, erschöpfter und spärlicher bekleidet.
    The Scene war einer der angesagten Orte. Dort spielten die besten Bands. Der dreiundzwanzigjährige Besitzer, Steve Paul, schien den richtigen Riecher zu haben, Stars zu entdecken, lange bevor sie zu Stars wurden. Fleetwood Mac, Traffic, The Lovin' Spoonful, The Young Rascals und Jimi Hendrix hatten alle dort gespielt. Tiny Tim, der sich selbst auf der Ukulele begleitete und mit einem sehr hohen Falsett-Vibrato beliebte alte Songs sang, war immer das Vorprogramm.
    Viele Stammgäste im The Scene waren waschechte Hippies. Es waren auch immer ein paar Berühmtheiten da, Liza Minnelli, Andy Warhol, Sammy Davis Jr., Mick Jagger. Dazu ein paar Leute aus Uptown beim Slumming im Nachtleben.
    Linda Eastman wirkte kein bisschen verlegen, als sie Lola sah. Sie umarmte sie und gab ihr ein Küsschen. »Hat dir London gefallen?«, fragte sie.
    »London hat mir gefallen«, sagte Lola.
    »Ich könnte mir gut vorstellen, dort zu leben«, sagte Linda. Sie war ganz die wohlerzogene reiche Tochter aus Scarsdale, New York. Alles an ihr passte ohne viel Aufhebens zusammen. Sie hatte es eindeutig nicht nötig, sich mit Schmuck oder einem modischen Haarschnitt herauszuputzen.
    Ihr dichtes, schulterlanges blondes Haar war unkompliziert geschnitten, ihre Kleidung von guter Qualität, zurück
haltend und praktisch. Ihre Haltung offenbarte natürliches Selbstvertrauen, sie sprach mit aristokratischem Akzent und dem Gestus

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