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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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auf.«
    »Ich glaube, ich muss einfach weniger essen«, sagte Lola.
    »Speed befriedigt viele Bedürfnisse«, sagte Janis Joplin.
    »An der Highschool habe ich einmal Speed genommen«, sagte Lola. »Ich konnte drei Tage nicht schlafen.« Lola versuchte sich zu erinnern, ob sie nach dem Speed weniger gegessen hatte, doch es gelang ihr nicht.
    »Hast du Heroin probiert?«, fragte Janis Joplin.
    »Nein«, sagte Lola. »Nimmst du Heroin?«
    »Nur wenn ich es mir leisten kann, und das ist nicht oft«, sagte Janis Joplin.
    »Bist du oft deprimiert?«, fragte Lola.
    »Manchmal«, sagte Janis Joplin. »Seit ich George habe, seltener.«
    »Wer ist George?«, fragte Lola.
    »Mein Hund«, sagte Janis Joplin. »Er ist eine Mischung aus deutschem und englischem Schäferhund. Er hieß schon George, als ich ihn als Welpe bekam. Ich wollte ihn nicht durcheinanderbringen, deshalb habe ich den Namen beibehalten.«
    »Warum bist du deprimiert?«, fragte Lola.
    »Wegen des Gefühls der Leere, des Gefühls der Einsamkeit, des Gefühls, nicht gut genug zu sein«, sagte Janis Joplin.
    »Nicht gut genug worin?«, fragte Lola.
    »In allem«, sagte Janis Joplin.
    Lola war traurig. Irgendetwas an der Niedergeschlagenheit und der Einsamkeit, von der Janis Joplin sprach, erkannte sie wieder. Es würde noch Jahrzehnte dauern, bis Lola ihre Einsamkeit spürte. Sie wusste nicht, dass sie einsam war. Sie wusste, dass sie dick war. Und sie wusste, dass sie hungrig war.
    »Ich habe viele Gefühle«, sagte Janis Joplin. »Und wenn man so viele Gefühle hat, hat man wirklich schreckliche Tiefs. Wirklich schlimme Tiefs. Wenn ich meine Musik nicht hätte, hätte ich mich vielleicht schon umgebracht. Wenn ich auf der Bühne stehe und singe, fühle ich mich gut. Ich fühle mich großartig. Ein Freund hat mich auf Otis Redding gebracht, und Otis wird wirklich eins mit der Musik, er geht völlig darin auf. Ich war angefixt, und als Otis Redding in San Francisco an drei Abenden hintereinander im Fillmore aufgetreten ist, bin ich jeden Abend hingegangen. Ich war jeden Abend früh da, um sicher zu sein, dass ich gut sehen konnte. Ich war so früh da, sie hatten noch nicht einmal geöffnet.« Wenn sie über Otis Redding sprach, war Janis Joplin
noch immer die Aufregung anzusehen, die sie bei seinen Auftritten empfunden haben musste.
    »Woran denkst du, wenn du singst?«, fragte Lola.
    »Ich denke nicht viel, wenn ich singe«, sagte Janis Joplin. »Ich versuche nur zu fühlen. Auf der Bühne zu stehen und zu singen ist ein Versuch, das, was tief in einem ist, hervorzuholen. Die Dinge, die nicht für eine höfliche Unterhaltung bestimmt sind.«
    Lola dachte, dass eigentlich alles in ihrem Leben für höfliche Gespräche ungeeignet war. Ihre Netzstrumpfhosen und die Art und Weise, wie sie in ihre Schenkel schnitten, ihre Diäten und das Elend, dass ihre Mutter im Erbrochenen anderer hatte herumstochern müssen und dass Hunde ihr etwas angetan hatten. Lola war froh, dass Janis Joplins Hund George nur zum Teil ein deutscher Schäferhund war.
    Janis Joplin sah Lola an. »Manchmal denke ich, ich sollte einfach meine Haare zu einem Knoten hochstecken, Make-up auflegen und nach Port Arthur zurückkehren«, sagte sie.
    »Wirklich?«, sagte Lola.
    »Nein«, sagte Janis Joplin. »Ich habe es vor etwas über einem Jahr probiert, und es hat definitiv nicht funktioniert.«
    Ein sehr großes dunkelhaariges Mädchen zwei Reihen vor Lola und Janis Joplin fotografierte. Sie drehte sich um und machte ein Foto von Janis Joplin. Janis Joplin lächelte ihr zu und betrachtete sie lange.
    »Mann, ist die scharf«, sagte Janis Joplin zu Lola. Lola war verblüfft. Sie kannte nicht viele Menschen, die offen homosexuell waren. Sie kannte auch nicht viele Mädchen oder Frauen, die davon sprachen, sexuell erregt zu sein. Die Mädchen, die Lola kannte, sprachen meistens von Liebe.
    Die Verblüffung war Lola offenbar anzusehen, denn Janis Joplin lachte. »Chicks machen mich an«, sagte sie. »Typen
übrigens auch. Ich finde es normal, dass einen ein Mensch anmacht und nicht sein Geschlecht.«
    »Das klingt plausibel«, sagte Lola, obwohl sie sich nicht sicher war, ob das wirklich stimmte.
    Viele Jahre später sagte eine Freundin zu Lola, dass sie niemals Rockjournalistin hätte werden können. »Meine Sexualität wäre mir in die Quere gekommen«, sagte sie. Lola hatte sie angestarrt. »Das Einzige, was mich interessiert hat, waren meine tragbare Olivetti-Schreibmaschine, mein Aufnahmegerät und

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