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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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gedreht hatte, war ihr schwindlig geworden. Außerdem hatte sie Hunger bekommen.
    Lola schnupperte und roch einen Hauch von Marihuana. In der Reihe vor ihr ließen die Leute einen Joint herumgehen. Lola zog ihr Notizbuch heraus. Mit der Pfirsich-Aprikosen-Cantaloupe-Eierdiät anfangen , notierte sie. Jemand setzte sich auf den Platz rechts von Lola. Lola hob den Kopf und sah die Frau an. Sie guckte noch einmal hin. Es war Janis Joplin. Lola hatte Janis Joplin vorher herumlaufen sehen. Janis Joplin lächelte sie an und sagte: »Hi.« Es war ein fröhliches, enthusiastisches, beinahe mädchenhaftes Hi. Ein Hi, das in krassem Gegensatz zu ihrem Aussehen stand. An Janis Joplin gab es sehr wenig, was mädchenhaft war. Sie hatte
stumpfe Haut voller Pockennarben und wildes, trockenes Haar mit ausgefransten, gespaltenen Spitzen.
    Sie tat Lola leid. Es musste schwierig sein, mit so einer auffälligen Haut zu leben. Wenigstens war sie nicht dick, dachte Lola. »Hi«, sagte Lola. »Ich bin Lola Bensky. Ich bin Journalistin. Ich schreibe für Rock-Out , eine australische Zeitschrift aus Melbourne.«
    »O Mann, Australien, groovy«, sagte Janis Joplin.
    Lola fasste eine instinktive Zuneigung zu Janis Joplin. Sie hatte etwas Ernsthaftes an sich. Etwas Intensives. Lola wandte sich ihr zu. »Darf ich dir eine seltsame Frage stellen?«, fragte Lola.
    »Klar«, sagte Janis Joplin. »Ich mag seltsame Fragen.«
    »Findest du, ich bin so dick wie Mama Cass, die zwei Plätze links von mir sitzt?«
    Janis Joplin beugte sich vor und betrachtete Mama Cass verstohlen. Für Lolas Empfinden sah sie Mama Cass ziemlich lange an, dann wandte sie sich wieder Lola zu und sagte: »Scheiße, nein«, mit einer Stimme, die, wie Lola befürchtete, laut genug war, dass Mama Cass sie hören konnte. »Sie ist viel dicker.«
    »Bist du sicher?«, flüsterte Lola.
    »Natürlich bin ich mir sicher«, sagte Janis Joplin. »Ich versuche, mir selbst nichts vorzumachen und wahrhaftig zu sein, warum sollte ich also dir etwas vormachen.«
    »Ich muss sagen, ich bin erleichtert«, sagte Lola. »Ihr Körperumfang macht mich gerade ein bisschen fertig.«
    »Kann ich verstehen«, sagte Janis Joplin. »Ich war als Teenager dick, und deswegen noch mehr isoliert. Dass mein Gesicht ständig mit riesigen roten Pickeln übersät war, hat auch nicht gerade geholfen. Sie haben mich immer ›Ferkel‹ oder ›Freak‹ genannt. Das passierte von heute auf morgen, als ich
vierzehn war. Ich bekam keinen Busen, nahm aber zu und kriegte Akne. Davor war ich auch nicht gerade beliebt. Ich war schon immer anders. Ich habe Bücher gelesen und gemalt und keine Nigger gehasst.«
    Lola wusste, dass sie recht gehabt hatte mit ihrem Gefühl, dass sie Janis Joplin mochte. »Ich hatte in der Schule eine Freundin«, sagte sie zu Janis Joplin, »die sehr dünn war. Als wir vierzehn oder fünfzehn waren, gingen wir immer an den Strand. Wenn die anderen uns sahen, fingen sie an zu singen: Fat and skinny went to war. Fat got shot and skinny swore. Kennst du das?«
    »Noch nie gehört«, sagte Janis Joplin.
    »Und damals war ich noch nicht einmal dick«, sagte Lola.
    »Denkst du immer noch darüber nach, ob du so dick bist wie Mama Cass?«, fragte Janis Joplin.
    »Eigentlich nicht«, sagte Lola. »Auch wenn mich der Gedanke noch beschäftigt.«
    »Du bist nicht so dick«, sagte Janis Joplin. »Ich weiß, wie es ist, von etwas besessen zu sein. Ich bin von dem Gedanken an meine Haut besessen. Sie ist so hässlich.«
    »Sie ist nicht hässlich«, sagte Lola. »Und du bist nicht hässlich.« Was sie sagte, stimmte. Janis Joplin war auf eine Art und Weise attraktiv, die nichts mit einer makellosen Haut oder einer perfekten Frisur zu tun hatte. Sie war jemand, zu dem man sich leicht hingezogen fühlte. Das hatte mit ihrer Aufrichtigkeit und Offenheit zu tun und damit, dass man das Gefühl hatte, dass sie sich für einen interessierte. Janis Joplin war kein Mensch, dachte Lola, für den das Leben ein einziges Zuckerschlecken war.
    »Du auch nicht«, sagte Janis Joplin.
    »Ein paar Leute sagen, ich wäre sehr hübsch, wenn ich abnehmen würde«, sagte Lola.
    »Sie sollen sich verpissen«, sagte Janis Joplin.
    »Meine Mutter ist von dem Gedanken an mein Gewicht besessen«, sagte Lola.
    »Sie soll sich auch verpissen«, sagte Janis Joplin.
    »Meiner Mutter macht es nichts aus, wenn jemand flucht«, sagte Lola. »Ich fluche öfter mal in ihrer Gegenwart. Es macht ihr nichts aus. Sie versteht die Sprache nicht

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