Lola Bensky
Elefant.
Zu Lolas Erleichterung hatte im Ambassador Hotel niemand von ihr eine Anzahlung verlangt. Die Angestellten waren alle sehr freundlich. Lola dachte, dass diese Freundlichkeit mit dem Geld zusammenhing, das die Gäste hierließen. Im Horwood Hotel in New York war niemand je etwas anderes als mürrisch oder schlecht gelaunt gewesen.
Am nächsten Tag zog Lola aus dem Ambassador aus. Sie hatte ihr Geld schließlich aufgetrieben und sich ein winziges Apartment gemietet. Das Apartment lag am Sunset Strip, schräg gegenüber vom Whisky a Go Go.
John Phillips schien ein bisschen nervös zu sein, weil sein Co-Papa Denny Doherty noch nicht aufgetaucht war. John, der eigentlich John Edmund Andrew Phillips hieß, ein Name, der in Lolas Ohren klang, als sei er Mitglied der englischen Königsfamilie, hatte etwas entfernt Aristokratisches an sich. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er älter war als Lola. John Phillips war einunddreißig, elf Jahre älter als Lola und neun Jahre älter als Michelle. John Phillips hatte Lola nach ihrer Ankunft das Haus gezeigt. Er war charmant, doch Lola merkte, dass sie etwas reserviert blieb. Sie fand, dass er Michelle ein wenig herablassend behandelte. Jemand hatte ihr erzählt, dass John, nachdem er von Michelles Affäre mit Denny gehört hatte, angeblich zu ihr gesagt haben solle: »Fick nicht mit meinem Tenor.«
Johns Tenor, konstatierte John, würde wohl nicht mehr auftauchen. Lola dachte, dass das angesichts der verwickel
ten romantischen Beziehungen zwischen Denny und Mama Cass, Michelle und Denny und Michelle und John vielleicht ganz in Ordnung war. Obwohl Lola wusste, dass Michelle von John schwanger war, dachte sie, dass eventuell noch nicht ganz ausgestandene Liebschaften die Dinge komplizieren könnten. Ihr war zu Ohren gekommen, dass Denny versucht habe, mit Hilfe von Alkohol über Michelle hinwegzukommen. Vielleicht gehörten solche Komplikationen in diesem Teil der Welt aber auch zum Alltag. Das hier war Los Angeles, der Ort, wo Filmstars und Celebrities wilde Dinge taten, die von Klatschkolumnisten lustvoll ausgebreitet und vom Publikum gierig aufgesogen wurden.
John Phillips ging und ließ Lola mit Michelle und Mama Cass allein. Mama Cass trug ein blumenbedrucktes Baumwollkleid, das unter der Brust gerafft war und ihr bis knapp übers Knie reichte. Mama Cass' Beine, stellte Lola fest, waren gar nicht so dick. Ihre Fesseln und Waden sahen beinahe normal aus.
Mama Cass hatte immer noch ihren Apfel in der Hand. Sie legte ihn vor sich auf den Tisch. Sie saßen in einem Raum, den Lola für den Wintergarten oder einen Teil der Küche hielt. Lola fragte sich, ob Michelle sich zwischen zwei dicken Frauen nicht seltsam vorkam. Es sah nicht so aus. Sie hatte Mama Cass einen dicken Kuss gegeben, als diese angekommen war. Michelle Phillips hatte etwas überraschend Reizendes an sich, dachte Lola. Sie hatte Lola etwas zu trinken geholt und dafür gesorgt, dass auf dem Tisch genug Platz war für Lolas Aufnahmegerät und ihr Notizbuch.
»Kommt ihr zwei gut miteinander aus?«, fragte Lola.
»Auf jeden Fall«, sagte Michelle. »Wir sind immer oder fast immer ein Herz und eine Seele.«
»Michelle ist wirklich ein guter Mensch«, sagte Mama Cass.
»Bei ihrem Aussehen könnte sie leicht ein Miststück sein, und trotzdem würden sich immer noch alle in sie verlieben. Aber sie ist kein Miststück. Sie ist sehr schön, und sie ist ein guter Mensch, und sie ist eine sehr gute Freundin.«
»Jeder von uns ist auf eigene Weise schön«, sagte Michelle.
»Ach, hör auf«, sagte Mama Cass. »Man kann nicht schön sein, wenn man dick ist. Niemand sieht deine Schönheit.«
»Vielleicht ist das ein Vorteil«, sagte Lola. »Man muss sich mehr Mühe geben.«
»Dick zu sein ist nie ein Vorteil«, sagte Mama Cass. Mama Cass hatte wahrscheinlich recht, dachte Lola. Wahrscheinlich war dick zu sein nie ein Vorteil. Und es verschlang eine Menge Zeit. Sie war sich sicher, dass Michelle Phillips noch nie auch nur eine Minute damit zugebracht hatte, eine Diät zu planen.
»Cass ist sagenhaft intelligent«, sagte Michelle. »Sie hatte schon als Kind einen IQ von 165.«
»Wir machen Witze darüber«, sagte Mama Cass, »dass sie der Körper ist und ich der Kopf.«
»Sie ist wirklich der Kopf«, sagte Michelle. »Sie macht alle Ansagen auf der Bühne, weil sie es am besten kann. Und sie ist so lustig. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich auf der Bühne etwas sagen muss, ich kann das auch nicht
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