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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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meine Freundschaft mit jenem französischen Genie (als wäre Gaston ein Genie!) - und als sie Dolly an Miss Cormorant weitergereicht hatte, zog sie die Stirn in Falten, als sammele sie die Gedanken, und sagte:
    «Uns ist nicht so sehr daran gelegen, Mr. Humbird, daß unsere Schülerinnen zu Bücherwürmern werden oder alle Hauptstädte Europas herunterrasseln können, die ja doch niemand kennt, oder daß sie die Jahreszahlen längst vergessener Schlachten auswendig wissen. Uns liegt mehr daran, daß das Kind sich an die Gemeinschaft anpaßt. Deshalb wird bei uns viererlei großgeschrieben: Theater und Tanz, Redegewandtheit und Rendezvous. Wir haben von gewissen Tatsachen auszugehen, Ihre reizende Dolly wird bald in eine Altersgruppe kommen, für die das Rendezvous und wie man zum Rendezvous kommt und was man zum Rendezvous trägt und wie man über das Rendezvous Buch führt und wie man sich beim Rendezvous benimmt ebenso viel bedeuten wie, sagen wir, Geschäfte, Geschäftsverbindungen, geschäftlicher Erfolg für Sie oder [lächelnd] das Glück meiner Schülerinnen für mich. Dorothy Humbird ist bereits in ein ganzes System geselligen Lebens eingespannt, das - ob wir es mögen oder nicht - aus Würstchenständen, Eckdrugstores, Milk-shakes und Colas, Kinos, Square Dances, Strandpicknicks und sogar Frisierpartys besteht! Natürlich mißbilligt die Beardsleyer Schule einige dieser Aktivitäten; und andere lenken wir in konstruktivere Geleise. Aber wir versuchen allerdings, allem Nebel den Rücken zu kehren und uns offen der Sonne zuzuwenden. Kurz, wir haben zwar gewisse Unterrichtsmethoden übernommen, legen aber mehr Wert auf Austausch als auf Aufsatz. Das heißt - mit schuldigem Respekt vor Shakespeare und anderen -, wir möchten lieber, daß unsere Mädchen frei mit der lebendigen Welt um sich her kommunizieren , als sich in alte, verschimmelte Folianten zu vergraben. Vielleicht tasten wir noch, aber wir tasten uns mit Verstand voran, so wie ein Gynäkologe, der eine Geschwulst befühlt. Wir, Dr. Humburg, denken in organismischen und organisatorischen Begriffen. Wir haben den ganzen Ballast an belanglosen  Fächern über Bord geworfen, mit dem die jungen Mädchen sich traditionsgemäß abplagen mußten und der in früheren Tagen keine Zeit ließ für die Kenntnisse und Fähigkeiten und Einstellungen, die sie nötig haben werden, um ihr Leben und - wie ein Zyniker hinzufügen könnte - das ihres Mannes zu bewältigen. Mr. Humber-son, wir wollen es so ausdrücken: Die Position eines Sterns ist zwar etwas Wichtiges, aber der praktischste Standort für den Kühlschrank in der Küche dürfte für eine werdende Hausfrau noch wichtiger sein. Sie sagen, Sie verlangen von einer Schule nichts weiter, als daß sie dem Kind eine fundierte Bildung vermittle. Aber was verstehen wir unter Bildung? In früheren Zeiten war das hauptsächlich ein sprachliches Phänomen; ich meine, das Kind mußte sich nur ein gutes Konversationslexikon einpauken, und es wußte dann ebenso viel oder mehr, als eine Schule bieten konnte. Dr. Hummer, ist Ihnen klar, daß für ein modernes heranwachsendes Kind - um ein Wortspiel zu wiederholen, das die Psychoanalytikerin des Beardsley-College sich neulich erlaubte - mittelalterliche Daten weniger Überlebenswert haben als [neckisches Blinzeln] die Daten der Wochenendverabredungen? Wir leben nicht nur in einer Welt von Gedanken, sondern auch in einer Welt von Dingen. Worte ohne Erfahrung sind bedeutungslos. Was in aller Welt gehen Dorothy Hummerson Griechenland und der Orient mit ihren Harems und Sklavinnen an?»
    Dies Programm entgeisterte mich einigermaßen, aber ich beratschlagte mich mit zwei intelligenten Damen, die zu der Schule in Beziehung gestanden hatten, und sie versicherten mir, daß die Kinder eine ganze Menge ordentliche Lektüre zu absolvieren hätten und daß das Gewicht, das der «Kommunikation» beigemessen werde, mehr oder weniger Propagandarummel war, der darauf abzielte, der altmodischen Beardsleyer Schule einen finanziell einträglichen modernen Anstrich zu geben, auch wenn sie in Wirklichkeit stocksteif blieb.
    Ein anderer Grund, der mich zu gerade dieser Schule hinzog, mag einigen Lesern komisch vorkommen, aber für mich war er sehr wichtig, denn so bin ich nun einmal. Unserem Haus gegenüber hatte ich auf der anderen Straßenseite eine Lücke bemerkt, ein verwildertes Grundstück mit ein paar bunten Büschen, einem Haufen Ziegelsteine, ein paar umherliegenden Brettern und dem

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