London Hades
dem einzigen Fenster des Raumes, r ü hrte in einem ihrer Eisenkessel und sog mit einer Inbrunst an ihrer langstieligen Gipspfeife, als h ä tte sie die ganze Zeit ü ber an der T ü r gestanden und gelauscht und m ü sste dies nun besonders gut verbergen. Henry war sicher, dass dem so war, schlie ß lich hatte er eben noch Licht von hier unten heraufkommen sehen.
» Bist du es, Henry? «
» Ja, Mrs. Thompson. «
» Noch Hunger? Koche Eintopf, schon f ü r morgen. Fast fertig. « Um mit ihm zu sprechen, brauchte Mrs. Thompson sich weder umzudrehen, noch die Pfeife aus dem Mund zu nehmen. Innerhalb k ü rzester Zeit w ü rde sie nun alles von ihm erfahren, was sie wissen wollte. Und eigentlich war er auch nur deshalb hinuntergegangen. Manchmal war er nicht sicher, ob es seine Miete war, die sie dazu trieb, ihm so oft zuzuh ö ren, oder ob ihr wirklich etwas an ihm lag.
» Nein, ich bin nicht allein « , sagte er.
» Mhm. « Sie nickte in die Eintopfschwaden hinein. » Endlich bist du aus deinem Loch gekrochen. Dachte schon, du willst gar kein Geld mehr verdienen. «
Henry druckste herum. Er setzte sich auf den K ü chentisch, neben die Gem ü seabf ä lle und Mrs. Thompsons Tabakbeutel. Er wog seine Worte genau ab, um m ö glichst belanglos zu klingen.
» Es ist keine Kundschaft. «
» Nein, es ist der, wegen dem du dich in deinem Zimmer verbarrikadiert hast. Wie hie ß er doch gleich? «
Diese Frau wusste alles. » Nathan. «
» Nathan? « Sie drehte sich halb um. Ihre schmalen Augenbrauen zogen sich zusammen. Sie war begierig darauf, Namen und Titel zu h ö ren, obwohl sie all das sicher l ä ngst kannte. » Habe ich den Namen nicht schon mal geh ö rt? «
» Nathan Emerson. «
» Er hat den Pranger also ü berlebt. Ich gehe davon aus, dass du dort genauso gut neben ihm h ä ttest stehen k ö nnen? «
Henry st ö hnte genervt auf. » Wir haben nichts getan! Wilson Ross hat uns eine Falle gestellt. Er will jeden vernichten, der mir etwas bedeutet. «
» So? « Mrs. Thompson runzelte die Stirn.
Was hatte er nun schon wieder Dummes gesagt? Nathan war der Constable von Covent Garden , er durfte Henry nichts bedeuten. Er hatte ihn schon tief genug ins Verderben gerissen!
» Wie viel schuldest du Ross? Du siehst entsetzlich aus: diese Beule an deiner Stirn. Und erst deine Lippe! «
» F ü nfunddrei ß ig Pfund « , knurrte er.
Mrs. Thompson drehte leicht den Kopf zur Seite. Ihr Blick glitt unter ihrem linken Arm hindurch, an seinen Schuhen entlang, zu Kniehose und Justaucorps. » Irgendwas kaputt gegangen? «
» Mir geht es gut. « Im Gegensatz zu Nathan, dessen Ruf er ruiniert hatte.
Er beschloss, dass das Verh ö r lange genug gedauert hatte und ihm auch nichts brachte, au ß er Schelte. Er stand auf, aber da fuhr die alte Frau herum und verbaute ihm den Weg. Ihre schm ä chtige Gestalt h ä tte er mit Leichtigkeit zur Seite schieben k ö nnen, nicht jedoch ihre unbedingte Autorit ä t. Ihre Augen betrachteten ihn genau. Der Pfeifenstiel wippte in ihrem Mundwinkel auf und ab, als sie sagte: » Aber deinem Freund nicht. «
» Er ist nur ein Zechkumpan! « Nathan und er hatten schon so oft einen zusammen gehoben, es war nicht einmal eine L ü ge. Und es brachte ihn zur ü ck zu dem anderen Grund seines Hierseins. Er blinzelte zu der Anrichte, in der Mrs. Thompson ihre Alkoholvorr ä te aufbewahrte.
» K ö nnte ich … k ö nnte ich vielleicht etwas Gin bekommen, Mrs. Thompson? «
» Damit ihr euch besauft? « , fuhr sie auf. Abrupt drehte sie sich um. » Du trinkst zuviel, Henry. Das macht nichts besser. «
» Pah. « Auf altkluge Belehrungen hatte er keine Lust. Daf ü r h ä tte er ü berhaupt nicht herunterkommen brauchen. Als er schon fast bei der T ü r war, sah er, wie Mrs. Thompson die Schrankt ü r aufschloss. Dann f ü llte sie zwei kleine Zinnbecher mit einer klebrigen Fl ü ssigkeit aus einer ihrer Lik ö rflaschen.
» Gin ist alle. Aufgesetzter ist noch da. «
» Danke, Mutter Thompson. «
Sie hielt ihm die Becher hin und nahm das als Vorwand, ihm noch einmal genau ins Gesicht zu schauen. Er sah schnell weg und wollte an ihr vorbeitreten.
» Was ist das da, Henry? «
Er blickte irritiert zur ü ck. » Hm? «
Sie nahm ihn bei den Schultern und dirigierte ihn zu einer der blank polierten Pfannen an der Wand. In dem silbrig gl ä nzenden Rund sah er sein eigenes Gesicht vor dem ihren. Er hatte keine Ahnung, was die Alte wollte. » Ja, die Beule ist h ä sslich …«
Mrs. Thompson
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