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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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noch irgendetwas sagen zu k ö nnen? Der Himmel hatte ihn ihr vorenthalten, als sie ihn am meisten brauchte. Nun gab er ihr Henry tot zur ü ck. Warum hatte sie ihn nie wirklich kennen lernen d ü rfen? Es war so ungerecht!
    Sie w ü rgte die Tr ä nen l ä ngst nur noch wie bittere Galle hinunter, als endlich jemand neben sie trat, ihr die Hand auf die Schulter legte und sie von dem Wagen wegf ü hrte. Doch da hatte sich der Anblick ihres toten Bruders l ä ngst in das Durcheinander hinter ihrer Stirn gefressen, er verfolgte sie bis in das flackernde Licht des Hausflures.
    In diesem Moment h ä tte man sie auch in eine dunkle Ecke zerren und t ö ten k ö nnen, es w ä re ihr egal gewesen. Sie h ö rte leise Stimmen um sich herum, die nicht mehr zu ihrer Welt geh ö rten. Jemand sprach, jemand anderes antwortete, und dann f ü hrte die Hand auf ihrer Schulter sie fort, hin zu einer Treppe, die sich in wieder neue Dunkelheit emporwand. Es mochte eine Ewigkeit gedauert haben, bis sie eine Zimmert ü r erreichten, knarrenden Dielenboden betraten und die T ü r sich hinter ihr und ihrem Begleiter schloss – sie konnte es nicht sagen. Es mochte die n ä chste Falle sein, in die sie tappte, aber was z ä hlte das noch? Was gab es mehr zu verlieren? Sie hatte nichts, das ihr noch etwas bedeutet h ä tte.
    Als ihr Begleiter sie schlie ß lich ansprach, ü berraschte es sie, dass es ihr eigener K ö rper war, den sie, von Kr ä mpfen gesch ü ttelt, in den Armen dieses Mannes wiederfand. » Vergiss bitte nicht zu atmen, Kleine. «
    In ihren Lungen befand sich tats ä chlich kein einziger Atemzug mehr. Die Trauer hatte alles aus ihr herausgepresst. Sie keuchte und rang nach Luft. » Du bist das « , brachte sie hervor.
    Henri l ö ste sich von ihr. Er wandte sich halb ab, raufte sich durch die Haare und riss das Band heraus, mit dem er sie zu einem Zopf gebunden hatte. » Ja. Ja, jemand musste doch … Sagte ich nicht, dass ich dir etwas schuldig bin? «
    » Ist das so? « , fragte sie tonlos.
    » Verdammt, ich f ü hle mich, als h ä tte ich sie get ö tet! « Er schrie es, war mit wenigen Schritten bei dem Kamin, der rechts neben der T ü r die Holzwand durchbrach, und fegte mit einem einzigen, wuchtigen Hieb s ä mtliche darauf abgelegten B ü cher vom Sims.
    Sie musste ihn wohl entsetzt angesehen haben, denn als er ihren Blick gewahrte, hielt er sofort inne. Er machte einen zitternden Atemzug, dann hob er beschwichtigend die Arme. » Entschuldige, du hast genug mitgemacht. Ich werde … ich werde einfach noch einmal durchatmen, und dann ist es wieder gut. «
    » Tats ä chlich? «
    Er strich sich die Haare glatt und trat an ihr vorbei. » Nein. « Er blieb vor dem Bett stehen, das mit seinem wuchtigen Himmel aus angestaubtem Damast eine zentrale Position in der linken Raumh ä lfte einnahm, und blickte auf die Matratze hinunter. Dann lie ß er sich auf diese fallen und deutete neben sich. » Setz dich hin. Deine Beine zittern. «
    Das taten sie tats ä chlich. Frances stakste zu Henri hin ü ber und lie ß sich einige Handbreit von ihm entfernt nieder. Kaum sa ß sie, sprang der junge Mann wieder auf. Er ging schnurstracks zu einem Sekret ä r hin ü ber, der hinter einem lederbezogenen Paravent in der gegen ü berliegenden Zimmerecke stand. Mondlicht ü bergoss nicht nur das kostbare Schnitzwerk des M ö belst ü ckes, sondern lie ß auch die Flasche aus Kristallglas, die Henri aus einem der F ä cher entnahm, aufblitzen. Er lie ß sich erst wieder neben Frances sinken, dann setzte er die Flasche an und trank sie in einem Zug bis zur H ä lfte leer. Er verzog das Gesicht, als er schluckte, starrte auf seine Schuhe, dann reichte er Frances die Flasche.
    Ihre zitternden H ä nde h ä tten sie beinahe fallen gelassen. Das Glas war schwer. Eine klare Fl ü ssigkeit wogte darin, in der sich sofort das entstellte Gesicht ihres Bruders widerzuspiegeln schien. Das Trugbild forderte mehr von ihr, als sie noch geben konnte. Sie war vollkommen leer, eine H ü lle, die nur durch Zufall noch am Leben war. Sie nahm einen gro ß en Schluck aus der Flasche und keuchte. Die Fl ü ssigkeit war scharf und brannte auf ihrer Zunge, kaum dass das Zeug sie ber ü hrt hatte, aber Frances schloss einfach die Augen und schluckte. Selbst wenn es sich um Gift gehandelt h ä tte, sie h ä tte alles getrunken, wenn es ihr nur half, Henrys Bild aus ihrem Kopf zu verdr ä ngen.
    Eine Hand griff nach der Flasche und entzog sie ihr.
    Was f ü r ein

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