London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
den Schlüssel aus der Tüte, steckte sich einen Hygienebeutel aus dem Bad in die Tasche und ging nach unten in die Lobby. Die Schließfächer befanden sich an der Wand neben der Rezeption. Er setzte sich vor der Hotelbar, dem Big Ben Pub, in einen Sessel und wartete auf Tashas Schichtende. Durch den Bildschirm über dem Tresen lief die Schriftzeile: Ermordeter Finanzier war »Playboy mit dubiosen Geschäften«. Polizei warnt Bürger vor Betreten der Square Mile. Der Bürgermeister sprach vor einer Versammlung. Dann lief eine Eilmeldung über den Schirm: Erneut Schießerei in der Innenstadt von London. Noch waren keine Kameras vor Ort. Northwood tauchte auf. Belsey schnappte gerade noch die Worte auf: »Sollten diese Vorfälle das Werk eines Einzeltäters sein, was im Augenblick noch mit einem großen Fragezeichen versehen werden muss …«
Tasha machte Feierabend und räumte ihren Arbeitsplatz für einen großen Mann, der laut Namensschild »Yakubu« hieß. Belsey stand auf.
»Hallo, Yakubu.«
»Sir?«
»Ändern Sie doch bitte meinen Weckruf für morgen auf neun Uhr. Zimmer 561.«
»Und das Frühstück hätte ich gern aufs Zimmer. Das Continental, bitte.«
»Kein Problem, Sir.« Er machte eine Notiz. »Wird erledigt.«
Belsey legte den Schlüssel für das Schließfach auf den Empfangstisch. »Und dann müsste ich kurz an mein Schließfach.«
»Natürlich, Sir.«
Im Schließfach lag ein kanadischer Pass auf den Namen Pelletier, sonst nichts. Belsey fasste ihn vorsichtig an einer Ecke an und ließ ihn in den Hygienebeutel fallen.
54
Sein Instinkt, als Privatmann wie als Polizist, sagte ihm: Schnapp dir den Kerl, der Jessica und Buckingham getötet und dann versucht hat, auch ihn und Charlotte umzubringen. Die Nahtoderfahrung pumpte immer noch Adrenalin durch seinen Körper. Um den Mistkerl auf die eine oder andere Weise unschädlich zu machen, blieben ihm schätzungsweise zehn Stunden. Das stand fest. Als Nächstes, fast genauso wichtig: Er musste für seinen Pass siebenhundert Pfund für Duzgun auftreiben. Dann einen Flug buchen. Dann den Feinschliff für die Kovar-Transaktion erledigen. Das musste schnell über die Bühne gehen, damit der Spekulant das Geld besorgen konnte. Dann würde er sich von Charlotte verabschieden, seinen Gewinn einstreichen und sich aus dem Staub machen.
Der volle Name im Pass des Killers lautete Dr. Antoine Michel Pelletier, geboren am 2. Juni 1976 in Quebec City. Das Foto zeigte das Gesicht eines Weißen in den Dreißigern, blass, glatt rasiert, hohe Stirn, schwarzes Haar, kleine, leblose Augen. Der Kriminaltechniker im Forensic Command fand auf der Rückseite des Passes einen sauberen Fingerabdruck, worauf der Computer sieben weitere Identitäten ausspuckte: sieben verschiedene Männer mit den gleichen Fingerabdrücken.
Als die Ergebnisse auf dem Schirm auftauchten, sah der Beamte, ein junger Bursche, der die Polizeischule noch nicht lange hinter sich hatte, ein bisschen verwirrt aus.
»Wo haben Sie den her?«
»Warum?«
»So was hat es vorher im gesamten Königreich noch nicht gegeben. Laut Interpol existieren siebenunddreißig verschiedene Haftbefehle gegen den Mann.«
»Wer ist der Bursche?«
»Suchen Sie es sich aus. Da wären erst mal Aleksander Boskovic, Nico Pacassi, Nathan Risbor, Carel Dupont. Die ersten drei tauchen in Verbindung mit einer Mordserie an der Amalfiküste zwischen 1995 und 1997 auf. Dupont, auf den die gleiche Beschreibung passt, wird wegen Mordes an der Schweizer Richterin Carla Pinto gesucht. Das war 1996, er wurde nie gefasst. Die Schweizer glauben, dass das Pseudo nym Dupont zu einer Person kroatischer Abstammung ge hört, die mit verschiedenen belgischen Identitäten auch in andere Morde verwickelt war. Und zwar als Christof Segers, Jens Thomas und Jean-Paul Claessens in Paris, Marseille und Stockholm. Die Police Nationale nennt ihn Le Chasseur, den Jäger.«
»Nett von ihnen«, sagte Belsey.
»Die Kollegen in der Schweiz und in Italien haben von den bevorzugten Waffen und Strategien auf einen militärisch ausgebildeten Mann geschlossen, wahrscheinlich mit Kampferfahrung in einer Scharfschützeneinheit im Bosnienkrieg. Übrig geblieben ist schließlich ein Name: Milan Balic. Ein exzellenter Scharfschütze, der bei der Eroberung mehrerer Städte in der Herzegowina beteiligt war und danach auf eigene Rechnung hauptsächlich für die Mafia in Neapel gearbeitet hat. In jüngerer Vergangenheit hat er einen nigerianischen Botschafter erschossen
Weitere Kostenlose Bücher