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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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dich doch, Soph. Ich hab hier gerade zu tun. Soph?« Der Junge nahm das Handy vom Ohr und musterte es einen Moment lang fassungslos. Dann schob er es wieder in die Jackentasche. Felix pfiff durch die Zähne.
    »Neunundneunzig Probleme. Jetzt versteh ich dich, bruv. «
    »Sorry – was?«
    »Der Wagen. Haufenweise Probleme.«
    »Nun, ja«, sagte Tom Mercer und machte eine ausladende Geste, die das ganze Fahrzeug umfassen sollte. »Klar, der Wagen ist eindeutig ein Projekt. Einfach losfahren kannst du damit nicht. Daher ja auch der Preis. Ansonsten würden wir hier von mehreren Tausend reden. Eindeutig ein Projekt. Komm, ich schließ mal auf und geb dir ’ne Führung.«
    Felix sah zu, wie Tom mit dem Schloss kämpfte.
    »Soll ich vielleicht ...«, fing er an. Die Tür sprang auf.
    »Man muss nur den richtigen Dreh finden. Wie gesagt, ein Projekt. Aber machbar.« Die Führung erwies sich als recht begrenzt. »Kupplung«, sagte Tom, und »Gangschaltung« und »Lenkrad«, und fuhr dabei mit der Hand beiläufig über das jeweilige Teil, und dann, während sie beide betreten die muffigen, Falten werfenden Fußmatten und den rostigen Boden betrachteten, die fleckigen Polster, aus denen Füllung und Sprungfedern hervorquollen, sowie die leere Höhle, wo das Radio sein sollte, brummte er das Baujahr.
    »Mein Geburtsjahr«, sagte Felix.
    »Dann ist es wohl Schicksal.«
    Der Junge las jetzt ein paar Daten von einem kleinen Zettel ab, den er aus der Tasche zog: » MG Midget, Triumph-14-Motor, fünfzehnhundert Kubikzentimeter, Hunderttausend auf dem Tacho, Handschaltung, Benzin, zweitüriger Roadster, Getriebe ...«
    Felix konnte nicht anders: »Zweitürig, ja? Sag bloß.«
    Tom lief rührend rot an. »Die Liste ist von meinem Vater. Ich verstehe nicht so viel von Autos.«
    Felix sah sich veranlasst, ihm freundschaftlich auf die hochgezogenen, knochigen Schultern zu klopfen. »Ich nehm dich doch nur ’n bisschen hoch. Können wir mal unter die Motorhaube gucken?«
    Sie öffnete sich quietschend. Darunter fanden sich all die schlechten Neuigkeiten, auf die er gehofft hatte. Die Batterie komplett dem Rost erlegen, der Zylinder kaputt. Kolben, die bis zum Motorblock durchstießen.
    »Und, Herr Doktor?«, fragte Tom. Felix sah ihn verwirrt an. Tom machte einen neuen Versuch: »Ist noch was zu retten?«
    »Kommt drauf an. Von was für ’ner Summe reden wir?«
    Tom sah erneut auf seinen Zettel.
    »Mir wurde gesagt, so um die tausend.«
    Felix lachte und schob die Hand in den Motor. Mit einem Fingernagel kratzte er an der Rostschicht.
    »Mal ehrlich, Tom, wir kriegen die Dinger jeden Tag rein, in viel besserem Zustand als den hier, deutlich besser – für sechshundert. Dafür zahlt dir aber keiner sechshundert. Die Karre kriegst du nur an ’nen Mechaniker verkauft, das schwör ich dir.«
    Die Sonne fiel jetzt direkt auf den Wagen: Die Motorhaube erglühte. Strahlendes Wrack! Tom sah mit zusammengekniffenen Augen hoch.
    »Da trifft sich’s ja gut, dass du Mechaniker bist, was?«
    Irgendwie war es komisch, wie er das sagte. Beide Männer lachten: Felix laut und kehlig, wie es seine Art war, Tom hinter vorgehaltener Hand wie ein kleines Kind. Das Handy in seiner Tasche klingelte wieder.
    »Ach Gott – hör mal, mir ist das eigentlich ziemlich egal, aber wenn ich meinem Vater erzähle, dass ich weniger als siebenhundert dafür genommen habe, krieg ich das bis ans Lebensende aufs Brot geschmiert. Ich wäre jetzt persönlich auch sehr viel lieber wieder im Bett. Sekunde mal – Soph, ich ruf dich in einer Minute zurück ...« Aber er behielt das Handy am Ohr, und Felix hörte mehr, als ihm lieb war, während Tom Entschuldigungsgrimassen schnitt. Vom Ende der Straße kam das fröhliche Gelächter einer Gruppe, die an einem Tisch vor dem Pub saß. Tom sah Felix mit fragend hochgezogenen Brauen an und machte die Bierglas-Geste. Felix nickte.
     
    »Was nimmst du?«
    »Ginger Ale. Danke.«
    »Ginger Ale – und?«
    »Sonst nichts.«
    »Hey, ich brauch dringend ein Katerbier – du könntest mir zumindest Gesellschaft leisten.«
    »Nee, für mich nicht. Nur Ginger Ale.«
    »Mein Vater sagt immer, in so einer Situation gibt es nur zwei Sätze, die man als aufrechter Engländer akzeptieren darf: Ich nehme Antibiotika und Ich bin Alkoholiker .«
    »Ich bin Alkoholiker.«
    Felix hob den Blick von den Latten des Holztischs. Tom wischte sich den Schweiß von der Stirn und machte den Mund auf, sagte aber nichts. Felix nahm sich einen Moment Zeit,

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