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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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sein. Anscheinend hatte sie die letzten Jahre in sämtlichen Internetcafés des Landes zugebracht und all diese Informationen zusammengetragen. Devon folgte ihr in jedem Punkt bereitwillig. Felix, skeptischer, ließ es kommentarlos über sich ergehen. Sie hatte sich die Haare zu zwei dicken Zöpfen geflochten wie eine Indianerin, trug ein dünnes, goldenes Stirnband. Und siehe, es wird kommen die perfekte Welt der Zukunft, ganz ohne Geld und ohne Geschäfte, nur Lagerhallen mitten in der Stadt, die alles enthalten, was man braucht, und keine Tür wird mehr verschlossen sein. Die Leute werden alle zusammenleben, ohne jede Religion. Ihre Augen, das wusste er, waren vom Wahnsinn vernebelt.
    Am nächsten Tag war sie weg, samt Felix’ Bankkarte, seiner Armbanduhr und all seinen Ketten. Zwei Monate später spazierte Devon in den Juwelierladen Khandi’s Gem Express and Jewellery an der High Road, mit Curtis Ainger im Schlepptau, einem Jungen aus Süd-Kilburn, und einer Pistole. Bitte lächeln, Sie werden von der Überwachungskamera gefilmt. Neunzehn war er, als er da hineinging. Und diesen Sommer dreiundzwanzig.
     
    »Entschuldigung, könnten Sie Ihren Freund vielleicht bitten, seine Füße wegzunehmen?«
    Felix zog sich die Stöpsel aus den Ohren. Vor ihm stand eine Weiße, hochschwanger und schwitzend.
    »Ich würde mich gern hinsetzen«, sagte sie.
    Felix musterte den reglosen »Freund« gegenüber und beschloss, dass es besser war, sich an den anderen zu wenden. Er beugte sich vor. Der Typ hatte den Kopf an die Scheibe gelehnt, selbstvergessen und halb hinter seiner Kapuze verborgen, und nickte zur Musik. Felix tippte ihm leicht ans Knie.
    »Hey, bruv – ich glaub, die Dame hier will sich setzen.«
    Der Typ schob eine Hälfte seines wuchtigen Kopfhörers beiseite.
    »Was?«
    »Ich glaub, die Dame will sich setzen.«
    Die Schwangere lächelte angespannt. Es war ziemlich heiß für diesen Zustand. Felix brach schon der Schweiß aus, wenn er sie nur ansah.
    »Ja? Und wieso sagst du mir das? Wieso grapschst du mich an?«
    »Was?«
    »Wieso sagst du mir das? Wieso sagt sie’s mir nicht selber?«
    »Dein Kumpel hat die Füße auf ihrem Sitz, blud .«
    »Und was geht dich das an? Was hängst du dich da rein? Und wen nennst du hier eigentlich blud? Sind wir vielleicht verwandt?«
    »Ich sag ja gar nicht, dass es mich ...«
    »Geht’s dich was an? Du sitzt doch – steh du halt auf.« Felix wollte sich verteidigen; der Junge wedelte ihm mit der Hand vor dem Gesicht. »Halt’s Maul – du Spast.«
    Der andere Typ machte ein Auge auf und lachte leise. Felix stand auf.
    »Setzen Sie sich – ich steig eh gleich aus.«
    »Vielen Dank!« Felix sah, wie sehr sie zitterte, wie ihre Augen bereits schwammen. Er schob sich zur Seite, um ihr Platz zu machen, und spürte die feuchte Haut ihres Arms an seinem. Sie setzte sich. Sie sah die beiden Männer direkt an. Ihre Stimme bebte: »Sie sollten sich was schämen«, sagte sie.
    Sie fuhren in die Kilburn Station ein. Der ganze Wagen schwieg. Keiner sah her – oder nur so rasch, dass die Blicke nicht wahrzunehmen waren. Felix spürte eine große Welle der Zustimmung, erdrückend und ungewollt, die auf ihn zurollte, und ebenso deutlich die Verachtung und Abscheu, die die beiden Typen umschloss, sie absonderte, von Felix, vom Rest des Wagens, vom Rest der Menschheit. Anscheinend spürten sie es auch: Unvermittelt standen sie beide auf und drängelten zur Tür, wo Felix bereits wartete. Er hörte den unvermeidlichen Schwall von Flüchen, der sich gegen ihn richtete. Dankenswerterweise öffneten sich die Türen; Felix spürte, wie er angerempelt wurde; er stolperte wie ein Tollpatsch auf den Bahnsteig. Gelächter, erst nah, dann immer ferner. Als er aufschaute, sah er die Sohlen ihrer Turnschuhe immer zwei Stufen der Treppe auf einmal nehmen, über die Absperrung schanzen und verschwinden.
    Zottelige Baumkronen über ihm. Hecken, wildwuchernd über den Zäunen. Jeder Riss im Asphalt, jede Baumwurzel. Wie die Sonne auf das Oberdeck der Linie 98 fällt. Vor der jüdischen und vor der muslimischen Schule sind die Mauern höher geworden. Die Kilburn Tavern ist neu gestrichen, glänzend schwarz mit goldenen Lettern. Wenn er sich beeilt, ist er vielleicht sogar vor ihr daheim. Kann sich hinlegen, in diesem sauberen Zimmer, an diesem guten Ort. Sie an sich ziehen. Noch einmal neu anfangen, ganz frisch.
    Vor der Tavern sah Felix Hifan und Kelly, beide aus seinem Schuljahrgang, an einem

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