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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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mit den Leuten in seiner Nähe. Dann stieß er seinen Sohn an. »Da kommt er«, murmelte er.
    Der Mann, der der Rabe gewesen war, hatte sein Kostüm abgelegt und kam nun durch den Hauptraum auf sie zu, während er den Logenmitgliedern auf seinem Weg wohlwollend zunickte. Erst als er ihnen nahe war, sah Julius die Narbe, die quer über die Wange des Mannes verlief. Kaltes Entsetzen beschlich ihn, als sich die Augen des Zenturios auf ihn richteten. Er fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Er hat mich erkannt, dachte er, nun bin ich erledigt. Er wagte es kaum, seinen Vater anzublicken, als dieser ihn mit einem nervösen kleinen Lachen vorstellte.
    Julius war sich nur noch bewußt, daß die Augen des Zenturios auf ihm ruhten. Erst nach einer Weile merkte er, daß der Soldat zu ihm sprach. Er berichtete über den Handel am Fluß und daß er einen klugen jungen Burschen brauchte, der Töpferwaren aus dem Landesinneren zum Hafen brachte, wofür er ihn gut bezahlen würde. Es bestünde auch die Möglichkeit, auf eigene Verantwortung zu arbeiten. War es möglich, daß der Zenturio ihn nicht erkannt hatte? Julius blickte hoch.
    Der Zenturio hatte etwas Merkwürdiges an sich, auch wenn Julius nicht genau hätte sagen können, was es eigentlich war. Während der große Mann auf ihn hinabstarrte, erkannte Julius, daß hinter diesen harten Augen etwas verborgen lag. Es war nichts Ungewöhnliches, daß solch ein Mann geschäftliche Interessen verfolgte. Die Legionäre waren gut bezahlt, und zweifellos dachte auch der Zenturio daran, nach seinem Austritt aus der Armee ein erfolgreicher Kaufmann zu werden und Land zu erwerben. Doch während ihrer Unterhaltung verstärkte sich bei Julius der Eindruck, daß der Zenturio Geheimnisse hatte.
    Nervös beantwortete er die Fragen, die ihm gestellt wurden. Er bemühte sich darum, einen guten Eindruck zu machen, auch wenn er sich noch immer unwohl fühlte. Es war ihm völlig unklar, was der Zenturio von ihm dachte, doch schließlich nickte dieser und meinte zu Rufus: »Er scheint in Ordnung zu sein. Ich hoffe, daß du ihn wieder einmal zur Loge mitbringst.« Rufus errötete vor Freude. »Was das Geschäft betrifft, bin ich ganz zuversichtlich«, fuhr der Zenturio fort, »aber er wird mit meinem Agenten arbeiten müssen.« Er blickte sich leicht ungeduldig um. »Wo steckt er denn? Ah ja, dort drüben. Bleibt hier. Ich werde ihn holen.« Er ging zu einer Gruppe von Leuten, die sich im Schatten unterhielten.
    Rufus strahlte seinen Sohn an. »Gut gemacht. Du hast es geschafft!« flüsterte er. Doch überrascht und leicht verwirrt stellte er fest, daß das Gesicht seines Sohnes weit entfernt davon war, Freude zu zeigen, sondern vielmehr in diesem Augenblick Verblüffung und Schrecken widerspiegelte. Julius hatte einen Blick auf den Agenten gerichtet, und als er nun zu ihnen trat, war jeder Zweifel ausgeschlossen: Vor ihm stand der Kapitän, auf dessen bläulichem Gesicht ein Lächeln lag.
    Als Vater und Sohn in dieser Nacht heimkehrten, war Rufus bester Laune. Der Zenturio hatte seinen Sohn eingestellt, nachdem der Kapitän der Meinung war, daß er sicher gut mit ihm zurechtkommen würde. »Das könnte eine Lebensstellung werden«, erklärte er Julius zufrieden.
    In Julius' Kopf überschlugen sich die Gedanken. Der Zenturio hatte ihn nicht erkannt, dafür mußte er den Göttern danken. Aber was war mit dem Kapitän? Er mußte gerade von seiner letzten Seereise zurückgekehrt sein, aber Julius hatte es nicht gewagt, ihn danach zu fragen. War er schon zu Hause gewesen? Hatte er womöglich den Brief gesehen? Sollte er Martina warnen und sie bitten, den Brief zu vernichten? Dafür war es nun wohl zu spät. Der Kapitän war sicher schon auf dem Heimweg. Was sollte nun aus seiner Liebschaft mit Martina werden? Konnte er denn daran denken, eine Beziehung zu der Frau eines Mannes aufzunehmen, von dem seine berufliche Karriere abhing? Ein absurder Gedanke.
    Bei ihrer Ankunft lag das Haus im Dunkeln. Mutter und Schwester waren schon im Bett, und auch sein Vater zog sich zurück, nachdem er ihm herzlich eine gute Nacht gewünscht hatte. Eine Weile saß Julius still da und ließ die Ereignisse des Tages an sich vorüberziehen, bis er merkte, wie müde er war, und sich anschickte, ebenfalls zu Bett zu gehen. Mit einer kleinen Öllampe ging er in sein Zimmer und zog sich aus. Bevor er sich hinlegte, tastete er noch einmal nach der wertvollen Tasche. Da verzog sich sein Gesicht. Verstört kniete er sich

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